Wieder einmal Doppelbestrafung zu Unrecht

Bericht von der R. aus der JVA Rosdorf

Ein Sicherungsverwahrter sollte zur Urinkontrolle (UK), die regelmäßig durchgeführt wird. An dem Tag „konnte er nicht“ und ging darauf vom medizinischen Stützpunkt, der in einem anderen Haus untergebracht ist, wieder zurück in die SV-Abteilung. Dies wurde als Verweigerung eingestuft – was nicht geschehen wäre, wenn er sich dort in einen Warteraum hätte einschließen lassen, bis er dann gekonnt hätte.

Diese zu Unrecht so eingestufte Verweigerung führte dazu, dass nun Bestrafung Nr. 1 darin besteht, dass er drei Ausführungen mit Laufkette machen muss, und Nr. 2, dass er seinen Fernseher am Wochenende abgeben muss.

Die Justiz bzw. die Obrigkeit der SV-Abteilung setzt sich somit auch noch über das Verbot einer Doppelbestrafung hinweg. Dies stellt in eklatanter Weise und zum x-ten Mal einen Amtsmissbrauch dar. Das Gesetz wird also mit Füßen getreten. Man muss sich wirklich fragen, wozu und für wen es im Rechtsstaat da ist.

Finanzielle Bereicherung der Firma Massak an Gefangenen

Text von Sicherungsverwahrten aus der JVA Rosdorf

Wir haben mit Unterstützung der Knast-Soligruppe die in der JVA Rosdorf von Massak angesetzten Preise mit denen bei einem Discounter (Aldi) verglichen. Von ca. 1.500 Artikeln hatten wir 92 ausgewählt. Allein bei dieser Auswahl verdient Massak bei 22 Artikeln über den erlaubten plus 20% (entspricht insgesamt ca. 20 €). Nun ließe sich eine Hochrechnung anstellen… In der SV könnten wir Fleisch auch draußen kaufen, wenn es mit den Ausführungen/Ausgängen zuverlässig klappen würde. Aber was ist mit den Strafgefangenen? Sie sind gezwungen diese Wucherpreise zu bezahlen. Wieso unterstützt die staatliche Institution JVA so etwas?

Hier einige Beispiele. Die erste Zahl ist der Aldi-Preis in Göttingen vom 14.04.22 plus 20%, die zweite Zahl der Massak-Preis von April: Naturjoghurt 4*150g (0,95 / 1,89), Schweineschnitzel (4,79 / 7,25), Cornflakes (1,43 / 3,19), Honig Spender (3,59 / 3,89), Brauner Zucker (1,79 / 2,69), Paniermehl (1,06 / 1,19), Ferr. Kinderriegel (2,62 / 2,79), Lux Seife (0,39 / 0,59), Colorwaschmittel (3,78 / 4,69), Orangensaft 1,5l (1,32 / 1,50).

Was denkt die Politik? Thomas Meyer-Falk (SV JVA Freiburg) hatte die Landesparlamente angeschrieben, um einen Pandemiezuschuss auch für Gefangene zu bewirken. Verwiesen hat er insbesondere auf Mehraufwendungen, die auf hohe Preissteigerungen des Lebensmittelhändlers Massak zurückzuführen sind. Der Petition wurde nicht stattgegeben, allerdings gab es einen Einblick in die sehr ungleiche Praxis der Länder. Daneben wurde von einigen Ländern auch ungefragt das Geschäftsgebahren der Firma Massak Logistik GmbH gerechtfertigt, die einen Großteil der deutschen Gefängnisse beliefert. Gefangene würden – wie in auch in der JVA Rosdorf – nicht Lebensmittel, sondern eine Dienstleistung kaufen. Für ein einzelnes Produkt würden Kosten entstehen für Verwaltung, Transport, Personal, Verpackung, Verteilung.
Die gesetzlich festgelegte Maximalpreishöhe (höchstens 20% über den ortsüblichen Preisen) für Lebensmittelverkauf in Gefängnissen scheint in manchen Landesparlamenten nicht bekannt. Auch unbekannt scheint, dass jeder Discounter die gleichen Verwaltungs-, Transport, Personalkosten usw. erbringen muss – und es sich beim Verkauf von Lebensmitteln immer um eine Dienstleistung handelt!

Letzten Freitag sind bei uns von Massak wieder Artikel nicht mitgeliefert worden oder es sind falsche angekommen, die nicht bestellt wurden. Wir sollen an die Gesellschaft herangeführt werden. Aber wer von uns wird nach der Haft/Verwahrung am Dienstag einen Bestellschein für den Wocheneinkauf ausfüllen, um am Freitag dann ein Päckchen mit den Lebensmitteln entgegenzunehmen? Man hat hier durch Wegrationalisierung des Sichteinkaufs einen Rückschritt eingeleitet, der unübersehbar nur Nachteile mit sich gebracht hat.

Recht auf Freistellungstage endet erneut in bandenmäßiger Unterschlagung

Bericht von R. aus der JVA Rosdorf

Sicherungsverwahrten Menschen wie mir stehen bei Arbeit in den Betrieben Urlaubstage zu. Nur dass die Arbeit nicht wie Arbeit draußen gewertet wird: Sicherungsverwahrte genauso wie Gefangene erhalten bloß eine „1-€“-Vergütung und keinen Mindestlohn, sie können keine Sozialversicherungsansprüche sammeln. Und bei voller Beschäftigung gibt es für Sicherungsverwahrte nur 10 Freistellungstage pro Halbjahr.

JVA Hannover, 2018

2018 war ich noch in der JVA Hannover. Auf meinem Lohnschein vom Mai 2018 hatte ich noch 9 Freistellungstage, die ich nehmen konnte. Im Juni 2018 hatte man dann plötzlich aufgeführt, dass ich kein Kontingent mehr hatte: 0. Wie konnte das sein, wenn ich in der Zwischenzeit gar keine Freistellungstage genommen hatte? Daraufhin habe ich der Arbeitsverwaltung der JVA den Gesetzestext mitgeteilt: Auf die halbjährlich erworbenen Tage besteht ein Jahr Anspruch. Wie sich herausstellte, war das BasisWeb fehlerhaft programmiert, mit dem die Berechnungen automatisch erfolgten! Für den Lohnschein Juli 2018 wurden meine Freistellungstage dann immerhin wieder eingetragen – allerdings 5(!) zu wenig, was mir erst zu spät aufgefallen ist.

JVA Rosdorf, 2021

Im Juli 2021 bin ich auf eigenen Wunsch in die SV-Abteilung der JVA Rosdorf verlegt worden. Zu diesem Zeitpunkt war alles unter Quarantäne gestellt, nach meiner Ankunft wurde ich trotz Impfung unter Verschluss genommen. Während der gesamten Quarantäne-Zeit durfte keiner aus der SV-Abteilung in den Unternehmerbetrieben arbeiten. Somit hatten nur die zwei Hausarbeiter und ein Fensterputzer Gelegenheit zu arbeiten, dazu gab es noch maximal zwei extra für die Pandemie eingerichtete Unternehmerbetrieb-Arbeitsplätze. Später hatte ich mich offenbar im Bett verlegen, mir war es weder möglich, meinen linken Arm vorwärts noch seitwärts au Schulterhöhe zu heben. Eine Verletzung wurde im MRT attestiert, ich bin immer noch im Genesungsprozess, erhalte Physiotherapie.

Um nicht allzu viel Zeit nach meiner Ankunft in Rosdorf zu verlieren, stellte ich einen Antrag auf meine noch in Hannover erworbenen Freistellungstage. Der Antrag wurde jedoch formal abgelehnt: Da ich zu diesem Zeitpunkt keinem Betrieb angehörte, könnte ich auch nicht freigestellt werden. Bei den Behandlungsteam-Gesprächen legten mir die Behandler daraufhin nahe, mich nicht freistellen zu lassen, sondern mich auf eine Arbeit zu bewerben. Doch wie, mit dem Schulterproblem?

Jedenfalls habe ich dann einen Antrag auf Auszahlung meiner noch offenen Freistellungstage gestellt: Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Daraufhin habe ich mich in meinem Bekanntenkreis umgehört, wo ich noch Hilfe bekommen kann, da mein Anwalt sich mit diesen arbeitsrechtlichen Sachen nicht auskennt. So habe ich mich dann an das Landesamt für Versorgung und Bezüge in Aurich gewandt. Die haben mein Anliegen gleich ungefragt an das Landesgericht weitergeleitet. Ob es noch andere Optionen gegeben hätte, dass kann ich nicht beurteilen. So gab es gleich ein Aktenzeichen. Die Richterin Frau Dr. Kohlmeier hat meinen Antrag in ihrem Beschluss kurzerhand zurückgewiesen. Den Wunsch, mich mit ihr telefonisch zu besprechen, lehnte sie ab.

Das wollte ich nun so nicht hinnehmen. Freistellungstage in der SV sind Urlaubstagen draußen gleichzusetzen. Die Freistellungstage hatte ich übrigens bekommen, weil ich eine Leistung erbracht, erarbeitet hatte. Wir reden hier von über 400 €, die die Justiz versuchte einzubehalten. Daraufhin habe ich Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts beim Oberlandesgericht eingelegt. Diese wurde ebenfalls aus formalen Gründen, ansonsten unbegründet abgelehnt: Meine Beschwerde sei nicht von einem Anwalt unterschrieben.

Für mich ist das eine staatliche, bandenmäßige, juristische Unterschlagung. Mehr kann ich dazu nicht sagen, außer dass ich allen Bescheidern mal solch eine Erfahrung wünsche, nicht an Geld zu kommen, für das man gearbeitet hat.

Innerlich habe ich mich schon von meinem Geld verabschiedet. Allerdings fördert solches Vorgehen nicht gerade meine Bereitschaft, hier in irgendeiner Form formal zu arbeiten. Lieber arbeite ich in der Kreativ-Werkstatt für das Projekt Wald&Wiese, da kann ich der Gesellschaft etwas Gutes tun bzw. kann zumindest irgendetwas zurückgeben. Es mag für Außenstehende vielleicht aussehen, dass ich mir mit dieser Haltung selbst schädige. Das ist jedoch nicht der Fall, zumindest empfinde ich es nicht so.

Die im Text erwähnten Lohnscheine und Atteste hat die Knast-Soligruppe eingesehen.

Massak hat übernommen – Sichteinkauf nicht mehr möglich und viele Nachteile

Wechsel des Anstaltskaufmanns in der JVA Rosdorf und die damit verbundenen gravierenden Änderungen für die Insassen!

Bericht von einem Sicherungsverwahrten

Corona hat auch hier maßgebliche Einschnitte im Anstaltsablauf, der Organisation, der Gefangenenbeschäftigung und den Vollzugsöffnenden Maßnahmen nach draußen verursacht. So wurde schon im Jahr 2020 der Sichteinkauf für die Gefangenen und die Sicherungsverwahrten eingestellt und auf einen Tüteneinkauf umgestellt!

Durch eine Petition, die die Sicherungsverwahrten erarbeiteten und dann zusammen mit den Strafgefangenen und Untersuchungsgefangenen unterschrieben einreichten bei dem Nds. Justizministerium und dem Anstaltsleiter der JVA Rosdorf konnte die bleibende Abschaffung des Sichteinkaufs zunächst noch einmal verhindert werden!

Doch nun sind seitdem zwei Jahre vergangen… Und ein altes Problem ist wiedergekehrt in einer noch nie dagewesenen Form: Denn nun ist die Firma Rewe, die seit Anbeginn der JVA hier den Einkauf für die Gefangenen angeboten hat und womit alle sehr zufrieden waren, gegen die Firma Massak ausgetauscht worden! Niemand wurde darüber informiert, selbst nicht die Firma Rewe, so sagte es diese uns auf Nachfrage. So schlecht wie jetzt war es sogar vor zwei Jahren nicht:

Nicht nur, dass die Insassen jetzt nicht mehr wie vorgesehen selbst in dem kleinen Einkaufsladen ihre Lebensmittel und alle anderen lebensnotwendigen Produkte ansehen können und so beim Nichtvorhandensein von Artikeln auf ein anderes Produkt ausweichen können. Denn Massak liefert für jeden eine fertig gepackte Kiste.

Mit dem Wechsel ist auch eine Reduzierung der zuvor angebotenen Artikel verbunden. Bei den nun von Massak angebotenen Artikeln gibt es Preissteigerungen von teils 50-100%. Das ist eine deutliche Erschwernis und offensichtlich allein für den Bereich Sicherungsverwahrung nicht mehr an den Lebensumständen in Freiheit orientiert – wie es der Gesetzgeber aber vorgibt. Der Fairness halber muss man sagen, dass es jetzt auch einige Artikel gibt, die deutlich billiger sind. Doch dieser Effekt hebt sich auf, da die teureren Artikel auch die sind, die notwendiger für die Selbstverpflegung von uns Sicherungsverwahrten sind!

Auch bei den Sonderbestellungen für uns Sicherungsverwahrte gibt es mit dem Wechsel zu Massak Probleme. Bisher war es möglich, mit Genehmigung der Vollzugsabteilung sämtliche Artikel, die die Firma Rewe selbst nicht im Bestand hat, von anderen Anbietern aus dem WorldWideWeb bestellen zu lassen. Dies ist über die Firma Massak nun nicht mehr möglich! Es gibt, so wie wir es jetzt sehen, nur einige Ausweichmöglichkeiten, die aber nicht alle Bereiche abdecken werden und können. Wir Sicherungsverwahrte können einmal im Monat draußen einkaufen gehen, in alle möglichen Lebens- und anderen Einkaufsläden. Jedoch gibt es in denjenigen Läden, die wir erreichen können, einige Artikel nicht zu kaufen. Die gibt es – wie alle wissen – nur in Onlineshops. Doch genau hier ist die Grenze, wo das Mögliche beschränkt wurde und nun aufhört.

Die Frage ist nun, wie es weitergehen kann, um den Bedarf von uns Sicherungsverwahrten abzudecken. Von Seiten der Abteilungsleitung kommt nur der Vorschlag, auf Einkaufe draußen auszuweichen. Doch macht man dies, wird im Nachgang dazu im Vollzugsplan geschrieben, dass man seine Vollzugsöffnenden Maßnahmen nur zum Konsumeinkauf nutze!


Ergänzend verweisen wir auf einen Hintergrundartikel vom 22.10.21,  nd
Der Preis der Tütensuppe

Für eine Gesellschaft ohne Knäste – Silvester zum Knast 2021

Wir waren nachmittags am 31.12.21 mit über 50 Menschen zur jährlichen Soli-Kundgebung am Knast in Rosdorf. Von einer großen Wiese aus konnten wir die Rufe von Gefangenen zumindest aus den oberen Geschossen hören, wir selbst hatten für Musikwünsche und Redebeiträge eine Anlage dabei. Auf einem der Transparente stand unsere Postadresse mit dem Angebot, uns über den Knastalltag zu schreiben. Berichte von Gefangenen stellen wir gibt es weiterhin unter der Rubrik „Nach draußen!“. Zum Abschluss, kurz bevor es zu regnen anfing, konnten wir uns noch mit einem kleinen Feuerwerk verabschieden. Wir dokumentieren hier ein Grußwort von dem Gefangenen Thomas aus einem Knast in Süddeutschland und unseren eigenen Redebeitrag.

Alle Fotos sind von Links Unten Göttingen

Liebe Leute drinnen im Knast und hier draußen,

wir von der Knast-Soligruppe möchten uns den Hoffnungen und Wünschen von Thomas anschließen. Ja, die Idee einer Gesellschaft ohne Knäste ist gedacht – schon lange. Das ist auch unsere Forderung. Doch um welche Taten kann es gehen, wenn wir drinnen und draußen für eben diese Gesellschaft ohne Knäste kämpfen? Zum Glück gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. So kommen wir nicht umhin, dass wir uns austauschen müssen, um Ansätze ringen, uns solidarisch kritisieren, Widersprüche aushalten. Tatsächlich zielt die Frage nach der Überwindung des Knast-Systems grundsätzlich auf die Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung, Konkurrenz, Gewalt, Ausschluss oder anderen Prinzipien unserer herrschaftsförmigen Gesellschaft. Knäste sind die Krönung unseres strafenden, patriarchalen, rassistischen, kapitalistischen Staates. Die Straflogik wird uns von Kindheit an im Kleinen und Großen als alternativlos dargestellt. In der Familie, der Schule, der Ausbildung, dem Militär, den Religionsinstitutionen oder der Lohnarbeit gilt es zu gehorchen – sonst gibt es eine Strafe. Mit den Gesetzen des Staates wird bei Strafe abgesichert, dass ungleiche Verhältnisse bestehen bleiben. So sollen nicht alle Menschen nach ihren Bedürfnissen Zugriff auf unsere gesellschaftlichen Ressourcen haben. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Lebensmittel und andere nützliche Dinge nehmen, sich überall hin frei bewegen, in eine Wohnung ziehen und sie behalten – alles ist bei Strafe verregelt. Erst recht den Staat aus einer emanzipatorischen Perspektive direkt anzugreifen.

Doch Gesetze sollen auch die persönliche Unversehrtheit schützen. Der Staat übt zwar reichlich Gewalt gegen seine Bürger*innen aus, untereinander ist sie aber verboten. Gewalt im sozialen Miteinander wird bestraft, zumindest im Prinzip. Denn in sozialen Kämpfen musste und muss weiter erstritten werden, dass der Schutz vor zwischenmenschlicher Gewalt tatsächlich für Alle gelten soll. Auch z.B. für Frauen und Kinder, für Lesben und Schwule, für Geflüchtete, für Transpersonen, für Schwarze… – für weniger privilegierte, diskriminierte Menschen. Beim Umgang mit zwischenmenschlicher Gewalt greift die Straflogik des Staates jedoch so oder so zu kurz. Denn durch Strafe und Knast wird ja direkt und mittelbar weitere Gewalt ausgeübt. Dabei verfehlen die staatlichen Ansätze oft, gewaltbetroffene Personen effektiv zu schützen und im sozialen Miteinander nachhaltig zu stärken. Ebenso verfehlen sie systematisch, gewaltausübenden Personen ernsthafte Angebote zur kritischen Auseinandersetzung mit ihren Gewalthandlungen zu machen oder Möglichkeiten zum Kennenlernen sozialer Alternativen und zu Veränderung zu bieten. Das Vorgehen im Rahmen der sogenannte Resozialisierung ist oft nur ein Feigenblatt in der Hand Justiz und  Knastleitung.

Was können wir also tun, wenn wir für eine Gesellschaft ohne Knäste streiten? Ihr drinnen und wir hier draußen können auf die Missstände des Knast-Systems und Repression im Knast-Alltag aufmerksam machen. Da geht es um Öffentlichkeitsarbeit. Die Webseite unserer Knast-Soligruppe ist eine von diesen Möglichkeiten. Hier werden Erfahrungsberichte von euch Gefangenen festgehalten und können von allen gelesen werden. Es kann auch um Widerstand drinnen und draußen gehen. Kollektives Vorgehen gegen Gängelung und Schikane. Aktionen gegen das Justizsystem oder Firmen, die am Knastbetrieb oder Arbeitszwang von euch Gefangenen verdienen. Aktionen gegen jede Ausbeutung, Unterdrückung, gegen jeden Ausschluss und Krieg.

Nicht zuletzt geht es jedoch auch darum, soziale Alternativen zu Strafe und Knast zu entwickeln und zu erproben. Um günstige Bedingungen zu schaffen, kann die Befriedigung von Bedürfnissen und die Verteilung von Ressourcen jenseits von Profit- und Tauschlogik solidarisch organisiert werden. Grundsätzlich kommt es jedoch darauf an, dass ihr drinnen im Knast und wir hier draußen Wege finden, Vereinzelung zu überwinden und verbindliche, handlungsfähige Gemeinschaften aufzubauen und zu schützen. Nur wenn wir die Mitmenschen in unserem Umfeld, ihre Bedürfnisse, Grenzen und vielleicht auch ihre Verletzungen kennen, können wir uns unterstützen, kritisieren und miteinander lernen. Nur wenn wir in der Nachbarschaft oder bei der Arbeit eine solidarische Community sind, können wir Gewalthandlungen und Fehler einzelner Menschen als ein Problem der Gemeinschaft und Gesellschaft begreifen und annehmen. Zwischenmenschliche Gewalt ist immer gesellschaftlich vermittelt. Sie geschieht vor dem Hintergrund eigener biografischer Gewalterfahrungen und sozialer Isolation, sie geschieht in patriarchalen, rassistischen Verhältnissen. Um hier als Gemeinschaft Verantwortung übernehmen zu können, braucht es neue, verlässliche Umgangsformen und Strukturen jenseits des Staates. Zum Glück gibt es schon immer und überall auf der Welt Menschen, die eben dies tun. Die als soziale Gemeinschaft Verantwortung übernehmen, die sich dem Problem von Gewalthandlungen gemeinsam stellen. Die gewaltbetroffene Personen konsequent unterstützen, die gewaltausübenden Personen eine Veränderungsperspektive anbieten, die je nach Anlass die gesellschaftlichen Grundlagen für Gewalt aufspüren und diese angehen. Von diesen Ansätzen können wir lernen.

Wann und wo es mit dem Aufbau und der Verstetigung von solchen Alternativen losgehen kann und wer sich daran beteiligen kann? Diese Antwort ist nun einfach: Jetzt, hier und mit uns allen kann es losgehen, denn worauf sollen wir warten? Dieser Weg ist wohl sehr aufwändig und bestimmt anstrengend, denn er braucht Kontinuität und Geduld. Doch es gibt nicht weniger zu erreichen, als dass wir uns unser soziales, solidarisches Miteinander wieder aneignen und verteidigen, um schließlich die herrschaftsförmige Gesellschaft samt ihrer Ausschlüsse und Knäste zu überwinden. Ob das, wie Thomas in seinen Grußworten vermutet, 50 Jahre, 100 Jahre oder länger dauert, oder mit Entschlossenheit, Anstrengung und glücklichen Entscheidungen auch schneller gelingt, liegt an uns.

Strafe und Knast überflüssig machen!
Freiheit und Glück für uns alle!

Ella – Soli-Filmvorführung an der ehem. JVA

An über 100 Orten wurde am 01.10.21 der Dokufilm „Ella“ gezeigt. Die anonyme Aktivistin wurde im Rahmen der Räumung des Dannenröder Forstes im Herbst 2020 festgenommen und ist bis heute widerrechtlich eingeknastet. Ein Jahr später arbeitet der Film die skandalös-kriminelle Verfolgung und Verurteilung von Ella juristisch detailliert auf und schließt mit der Forderung alle Knäste abzuschaffen.

Den Film online schauen? Solidarisch sein? Aktionen machen? HIER

In Göttingen haben wir den Film an die seit Jahren leerstehende ehem. JVA in der Innenstadt – direkt gegenüber der OM10 – projiziert. Über 70 Menschen haben den Film geschaut. Zuvor hatten Aktivist*innen die Obere-Masch-Straße beidseitig für Autoverkehr gesperrt, um dem Publikum auch gute Sitzplätze auf der Straße anbieten zu können.

Freiheit für Ella! Für eine Gesellschaft ohne Strafe und Knäste!

Feinvergitterung in der Haftanstalt… Heute Hannover, morgen Sehnde, Rosdorf, überall!?

Eine Statusmeldung aus dem Strafvollzug Niedersachsen, September 2021

Nachdem sich bereits in den Haftanstalten der südlichen Bundesländer die Feinvergitterung der Hafträume wie eine Seuche ausgebreitet hat, setzt sich nun auch in Niedersachsens Haftanstalten diese menschenverachtende Konstruktion durch. Der Prototyp des Terrors hatte bereits 2020 in Hannovers JVA Einzug gehalten. Anfänglich gelang es durch die Klage eines Inhaftierten vor der Strafvollstreckungskammer Hannover, den Weiterbau auf Grund eines einbestellten Gutachtens eines Sachverständigen auszusetzen. Wie nun in Erfahrung gebracht worden ist, wurde die Klage offensichtlich negativ beschieden. Denn im August wurde die Feinvergitterung der restlichen Hafträume in Hannover durch die bauausführende Firma Schmedeke beendet.

Inhaftierte müssen Feinvergitterung für sich und andere selbst bauen

Anfänglich mutmaßten noch einige Inhaftierte, dass sich derartige Umrüstungen auf Feinvergitterung nur auf JVA-Sanierungsfälle belaufen sollten. Das ist nun klar widerlegt. Bereits 2020 hatte die JVA Celle eine komplette Fertigungsstraße von der Fensterbaufirma Schüko nebst Software erworben. Die Investitionskosten sollen sich auf über 250.000 € belaufen haben. Aufgrund des vom Gericht beauftragten Gutachtens ruhte die Fertigungsstraße und hat nun die Produktion für ganz Niedersachsen aufgenommen. Als Lieferant für die Edelstahlplatten, welche quadratisch perforiert sind, sich bei Hitze stark aufheizen und den Luftaustausch massiv behindern, wenn nicht gar komplett durch das Wärmeabstrahlverhalten der Platten komplett verhindern, gilt die JVA Sehnde! Wurde das Modellprojekt Niedersachsens noch anfänglich an eine Fremdfirma vergeben, hat man sich in Folge dazu entschlossen, die Produktion durch die günstige Zwangsarbeit durch Inhaftierte in den Haftanstalten ausführen zu lassen! Im Bau befinden sich nicht nur komplette Fensteranlagen plus Vergitterung, es werden auch solche „Nachrüstsätze“ für Haftanstalten produziert, die eine Vor-Gitter-Montage ermöglichen werden. De Facto wird es eine Frage der Zeit sein, bis alle Haftanstalten Niedersachsens umgerüstet sind.

Zahlreiche blinde Flecken bei der Begutachtung

Es ist nicht bekannt, dass der Gutachter relevante Langzeitmessungen in den Hafträumen durchgeführt hat. Beachtenswert wären auch die Hitzepeaks in Hochsommerzeiten der vergangenen Jahre. Ein weiterer Grund für den negativen Entscheid des Gerichtes in Kooperation mit dem Sachverständigen ist sicherlich auch der mangelhaften Umsichtigkeit des damaligen Klageführers geschuldet. Leider zeigte er sich nur wenig kooperativ, auch andere Meinungen und Argumente zuzulassen und beharrte auf seiner einseitigen Betrachtungsweise. Argumente wie Corona und damit die neuerlichen Anforderungen an die Luftwechselraten gemäß des Infektionsschutzgesetzes und auch des Bundesumweltamtes wurden gänzlich unbeachtet gelassen. Auch die Situation der Nichtraucher wurde ausgeblendet. Denn zuständige Fachabteilungen des Justizministeriums hatten in anderer Sache noch kurz davor argumentiert, dass gesundheitliche Belastungen durch unverzügliche Nachbelegung in Starkraucherzellen problemlos durch großflächige Fenster neutralisiert werden könnten. Die Behauptung, dass man trotz Feinvergitterung der Fürsorgepflicht gegenüber den Inhaftierten entsprechen würde, ist so endgültig entkräftet.

Feinvergitterung bedeutet höchste psychische Belastung

Völlig unbeachtet ist von Seiten der Gutachter augenscheinlich, dass erforderliche Baupsychologen nicht gehört worden sind. Diesen wäre sicher nicht entfallen, dass die Insassen vielfach durch ihren langjährigen Drogenkonsum psychisch sehr auffällig sind, auch die Substitution führt bekanntlich zu Psychosen/Halluzinationen, und unter vielem anderen mehr leiden. Die Zahl der Suizide und Suizidversuche sind in den letzten Jahren wider verstärkt angestiegen. Das ergab auch die kürzliche Anfrage der die Linke an die Bundesregierung. Natürlich stellen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger der Haftanstalten und Justizministerien auch zum Selbstschutz ahnungslos. Offensichtlich zieht man es nicht in Betracht, dass solche menschenverachtenden Konstruktionen einer Verplattung der Hafträume mit dafür verantwortlich gemacht werden, um derartige Handlungen auszulösen. Durch das Erstellen derartiger Gefälligkeitsgutachten kann sich die Justiz natürlich bequem zurücklehnen und jegliche Verantwortung abweisen.

Feinvergitterung für Nichtraucher besonders dramatisch

Für die geringe von Nicht-/Nierauchern in Haft werden durch die neuartigen Feinvergitterungen weitere schwere Zeiten anbrechen. Die Justiz hat es ja bekanntlich bestens verstanden, sich in puncto Nichtraucherschutz ein Schlupfloch offen zu halten. Die Nachbelegung von Nichtrauchern in zuvor von Kettenrauchern über Jahre hin frequentierten Zellen ist als Körperverletzung anzusehen. Die Ausdünstungen der Toxine sind noch über Monate zu ertragen. Diese entweichen aus dem gesamten Mobiliar und der zumeist maroden Bausubstanz. Die Verantwortungslosigkeit des Justizsystems ist offensichtlich, reagierte diese zuvor noch mit fragwürdigen Aussagen, die durch das Justizministerium abgesegnet waren. Das vermeintliche Problem der Nikotinbelastung könne bequem durch Lüften behoben werden, da ausreichend große Fenstern in den hafthäusern vorhanden wären. Nun wird billigend in Kauf genommen, dass chronische Erkrankungen wie Asthma/COPD, kardiologische Erkrankungen etc. als Kollateralschaden der Haft hingenommen werden müssen!

Feinvergitterung schwächt Sehkraft

Die Edelstahlplatten erweisen sich bei starker Sonneneinstrahlung als wahres Blendwerk, unerträglich ein Blick durch diese bei Sonnenlicht. Ohnehin wird den Inhaftierten nur eine Freistunde gewährt, indem sie die Möglichkeit haben, ihre Augen auch mal mehr als 5 Meter im Fernbereich zu nutzen. Blicke durch die Gitter sind auf Dauer nahezu unmöglich, das Auge zoomt automatisch den naheliegendsten Punkt an. Weite Blicke, wenn sie überhaupt möglich waren, werden nachhaltig verhindert. Jedes Huhn in der Legebatterie hätte Unterstützung von Tierschutzorganisationen, die gegen die Missstände protestieren würden. Den rechtlosen Inhaftierten wird derlei Mitleid nicht gewährt! Diese müssen auch für die Folgen der Verschlechterung der Sehtüchtigkeit selber aufkommen, auch wenn sie nur Taschengeldempfänger sind. In anderen Bundesländern werden die Kosten übernommen, in Niedersachsen sind Zuzahlungsanteile unabwendbar.

Argumente der Justiz nur vorgeschoben

Aushänge im Strafvollzug wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar“erweisen sich endgültig als klare Makulatur! Der Fürsorgepflicht gegenüber den Inhaftierten ist damit keinesfalls Rechnung getragen. Die Verschlechterung der Haftbedingungen, die auch die Gesundheit betrifft, wird billigend in Kauf genommen. Das Argument der Justiz, diese Verplattungen sollen dazu dienen, Einflüge von Drohnen zum Transport von Drogen oder gar Waffen zu verhindern, erweist sich schon daher als haltlos, da die Haftanstalten bekanntlich allesamt mit Drohnenabwehrtechnik ausgestattet sind. Die weiteren Argumente der Verhinderung der vermeintlichen Vermüllung der Freiflächen und des Pendelns könnte man zweifelsfrei durch Kameratechnik und motivierte Mitarbeiter entkräften. An beidem mangelt es dem Strafvollzug nachhaltig. Daher ist alles eher der „Entlastung“ des Knastpersonals geschuldet, das sich mehr mit geselligem Zeitvertreib beschäftigt, als seine Aufgaben sorgfältig auszuführen.

Es zeigt sich, dass Inhaftierte im Einzelnen nur wenig Chancen haben, gegen die Allmacht der Justiz Veränderungen zu bewegen und durchzusetzen. Leider fehlt es oft an Solidarität gegen das System Knast und seine Missstände. Inhaftierte werden bekanntlich zu gefügigen Marionetten konditioniert, so dass sie sich dann leicht als Statisten im Knastsystem instrumentalisieren lassen.

Es bleibt abzuwarten, bis der erste Tote gegrillt in der Zelle liegt. Niemand wird sich dann zuständig fühlen! Die Konstruktion der Fensterfeinvergitterung ist einfach nur menschenverachtend!

Beobachtungen im Strafvollzug – Essen im Knast

Aus dem niedersächsischen Srafvollzug erreichte uns dieser anonyme Bericht über die Ernährungssituation. Für fast 18 Monate gab es dort einen neuen Knast-Koch als Verantwortlichen am Herd, der für eine Verbesserung der Ernährungslage in der JVA gesorgt hatte. Dieser hat sich aufgrund von Anfeindungen und Schikanen des Knastpersonals ihm gegenüber jedoch wieder verlegen lassen, woraufhin die Situation nun wieder gewohnt schlecht ist. Ein spannender Einblick in die Verhältnisse hinter Gittern:

Undank ist des Knastes Lohn – Die ernüchternde Bilanz eines Knast-Kochs : ausgebeutet, manipuliert und abserviert

Dass gutes Essen auch die Psyche beeinflusst, ist nachhaltig in Studien bewiesen. „Du bist, was du isst“ hat sich im Rahmen von Studien, auch im Strafvollzug, bestätigt. Es legt zudem in Gänze dar, dass sich die Aggressivität der Inhaftierten in den Haftanstalten auch durch gute Ernährung deutlich reduzierte.

Die Gesellschaft für Ernährung gibt bekanntlich vor, dass jeder Mensch täglich bis zu 5 Mahlzeiten an frischem Obst und Gemüse verzehren sollte. Das sollte auch für den Knast gelten, denn es wird ja von der Justiz im Rahmen der Resozialisierung immer wieder vorgegeben, dass man sich auf die Gesellschaft in Eigenverantwortung auch in Punkto gesunder Lebensführung vorbereiten soll.

Leider ist der Haftalltag stattdessen mehr von alltäglichen Enttäuschungen behaftet. Das wird dadurch deutlich, dass das Essen vielfach unangerührt zurückwandert und in der Futtertonne landet. Die Eintönigkeit ist kaum definierbar, man kann darlegen, dass sich der Futterplan alle spätestens 4 Wochen dreht. Kulinarische Highlights sind unter anderem Milchreis, Sojanka (nach original DDR Rezept, aufgrund von Resteverwertung), Calenberger Pfannenschlag, Tiefkühl Kartoffelpuffer etc. Es müsste jeden Koch in Leitung zu denken geben, wenn das Essen unangerührt zurück kommt.

Für fast 18 Monate hatten wir hier einen neuen Knast-Koch als Verantwortlichen am Herd.

Es war schon fast ein Wunder, dass es ihm gelang, die verkrusteten Strukturen der Behördenabläufe aufzubrechen. Das Essen wurde merklich besser und viele neue Dinge gelangten nach vielen anfänglichen Widerständen auf den Tisch. Natürlich blieb man, wie auch in anderen Knästen, mit der Versorgung mit Obst und Gemüse deutlich unterversorgt. Was auch nachweislich an den Verantwortlichen ProtagonistInnen der BehördenmitarbeiterInnen lag. Es ist immer wieder befremdlich, dass Küchenpersonal, rekrutiert aus völlig anderen Berufen, das Zünglein an der Waage abgibt. Aussagen wie „die sollen hier Spüren, dass die hier im Knast sind“, sprechen eindeutige Sprache.

Der Strafvollzug ist in der totalitären Struktur ohnehin ein Zugmagnet für ehemaligen DDR-Bürger, die die damaligen gebotenen, klar strukturierten Abläufe der Gesellschaft offensichtlich vermissen. Für den Strafvollzug sind „Kinder oder Enkel“ mit „DDR Prägephase“ ein klarer Gewinn. Die Gleichschaltung mit der schwarz/weiß Denke „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ ist nach wie vor herzlich willkommen.

Der neue Knast-Koch konnte schon auf seinen umfänglichen Erfahrungsschatz durch eine On-Off-Beziehung als Knast-Koch zurück blicken. Seine Arbeit wurde in vielen Haftanstalten in höchsten Tönen gelobt. Und das führte auch zur Besetzung seiner Position. Der Koch, schon Rentner, konnte aufgrund seiner Haftzeit nur auf eine kleine Rente zurückgreifen. Denn Rentenversicherung verwehrt das Knast-System Inhaftierten beharrlich. Um der Zahlung von Haft-Kosten zu entrinnen und um auch durch seine Arbeit fit zu bleiben, arbeitete er in der Regel 7 Tage in der Woche im Knast, um den Laden am laufen zu lassen. Als nun Arbeiter bekam er hier den Knast-Lohn und konnte seine kleine Rente ansparen, um seiner Zeit nach der Haft nicht Mittellos entgegenzutreten.

Bedingt durch die Corona-Pandemie, verzichtete der „Knastsenior“ auf seinen 20 Tage Urlaubsanspruch. Vermeintliche SozialarbeiterInnen, MitgliederInnen der Abt. Sicherheit, der Anstaltsleiter, gaben sich die Klinke in die Hand und erbettelten seine Arbeitskraft und er ließ sich auch aus seiner eigenen Verantwortung gegenüber den Inhaftierten breitschlagen durchzuarbeiten.

Augenscheinlich war aber auch zu beobachten, wie sehr die Anstrengungen des auch chronisch kranken Kochs an seiner Substanz nagten. Mehrfach spielte sein Herz verrückt. Durch die neuerlichen Feinvergitterungen der Fenster rang er stets nach Luft an heißen Tagen. Ein Aufstieg bis in die dritte Etage ohne ausreichender Belüftung, war ein regelrechter Kraftakt.

Nach nicht nur seinen Angaben, besticht diese Knastküche hier durch totale Strukturlosigkeit. Nach all den Jahren Knast hätte der 1. Koch eine derartige Inkompetenz wohl noch nicht erlebt. Wie schon in der freien Wirtschaft, ist man schon als Angestellter schlecht damit beraten, wenn man mehr Ahnung wie der Chef hat. Ein guter Chef würdigt bekanntlich die Arbeitskraft seiner Mitarbeiter, aber davon können die Inhaftierten in Haft nur träumen! Wenn die Inkompetenz am Ruder ist, ist das Chaos vorprogrammiert. Wenn einem dazu noch alltäglich das Ruder aus der Hand genommen wird, ist es nachvollziehbar, dass man eigenständig seine innere Kündigung vollzieht. Die ganze Knastarbeit gleicht ja ohnehin mehr einer Arbeitstherapie in der manche nur ihre Zeit totschlagen und die Mithelfer sich wie im Kindergarten verhalten und das Knastpersonal bespaßen.

Im Fall des 1. Kochs war es nicht schwer, mit Kusshand wurde er in einer anderen Haftanstalt genommen und fühlt sich dort nach eigenen Darstellungen wieder wohl.

Für uns hinterbliebenen sind nun wieder dunkle Wolken aufgezogen, der Nachfolger ist nun völlig schmerzfrei, kippt alles in die Töpfe und freut sich über ein paar Streicheleinheiten seiner WärterInnen. Seine Qualifikation ist eine „Lehre“, welche er hier im Knast absolviert hat. Wie die Prüfung bestanden wurde ist allen ein nachhaltiges Rätsel. Ab sofort werden alle Wünsche des Knastes blindlings umgesetzt, mag der Knastdirektor kein Knoblauch, heißt es faktisch für alle kein Knoblauch! Herr Anstaltsleiter möchte das Original Essen der Inhaftierten „kosten“. Als Militär der Bundeswehr, hat dieser offensichtlich keine hohen kulinarischen Ansprüche, anders wohl denkt jener wohl auch daran, dass ihm das Lob des Ministeriums sicher ist, denn als „Sparhans“ ist er da gern gesehen.

Es liegt einfach am System Knast, dass nur Marionetten in Ihrer Gefügigkeit und Unterwürfigkeit im Gegenzug die Rolle ihres Lebens hier im Knast finden werden.

Der neue Knastkoch hier hatte ja draußen nicht einen Tag einen Löffel in Anstellung/Selbstständigkeit herumgerührt. Nun wird uns das weiter zugemutet, mit Wohlwollen des Knastes!

Vom Knastsenior, hatte sich keiner der ehemaligen Entscheidungsträger verabschiedet. Nachdem er seine Verlegung auch zum Selbstschutz beantragt hatte ist er nachdrücklich in Ungnade gefallen. Der Gipfel der Niederträchtigkeit war es dann auch noch, dass er trotz seiner Krankheit in den maroden verdreckten Block des „Transporterhauses“ verlegt wurde. Erstmalig auch wohl um 16 Uhr. Üblich ist in der Regel zumeist 18-19 Uhr. Musterinhaftierten wurde gar ermöglicht, das sie auch früh vom Stammhaus verlegt werden. Alles das macht einfach nur betroffen, welch einen Undank man hier ertragen muss, alles ist klar auf Demütigung ausgerichtet! Der neue experimentiert nun für seine nächste Etappe in der Forensik. Dort wird er sicher von den Pflegern gelobt werden?

Damit soll hier dann mal Ende sein, fortan heißt es hier mit spitzem Bleistift rechnen und das Taschengeld für gutes Essen per Einkauf gestalten. Leider kann man im Knast keine Selbstversorgung einfordern, das würde sicher eine Vielzahl der Inhaftierten in Anspruch nehmen…

Mfg., Anonym, 18.08.2021

„Es gibt lebende soziale Kräfte, die sich gegen Willkür, Gewalt und Autoritarismus widersetzen.“ (Dimitris Koufontinas)

Redebeitrag der Knast-Soligruppe Göttingen bei der Kundgebung zum Tag der politischen und sozialen Gefangenen am 18.03.21

[Kontext: Dimitris Koufontinas hat nach 66 Tagen am 14.03.21 seinen Hungerstreik auf einer Intensivstation in Lamia (Griechenland) beendet. Er bezieht sich auf die weltweiten Solidaritätsaktionen: “Was da draußen passiert, ist viel wichtiger als das, wofür es angefangen hat. Angesichts der Macht dieser Kämpfe erkläre ich meinerseits, dass ich mit Herz und Verstand hier und unter euch bin.“]

[Fotos: Links Unten Göttingen]

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen, liebe Gefangene, die heute nicht hier bei uns sein können,
Als Knast-Soli-Gruppe sind wir mit Gefangenen der JVA Rosdorf und aus anderen Knästen bundesweit in Kontakt. Wir unterstützen sie, wenn sie sich gegen Ausbeutung, Übergriffe und Schikanen im Knast wehren, halten Briefkontakte und veröffentlichen Berichte und Artikel der Gefangenen auf unserem Blog, den Link findet ihr hinten am Stand.

Wer Lust hat uns zu erreichen, oder mitzumachen schreibt uns am besten eine Mail. Wir haben hier am Gänselieselbrunnen auch noch eine kleine Daten- & Faktensammlung aus der Ausstellung „Knastleben“ von Genoss*innen aus Hamburg zum Thema Gefängnis in Deutschland sowie Buchempfehlungen ausgelegt. (1)
Wir möchten heute aber auch nicht selbst viel Raum einnehmen, sondern Betroffene zu Wort kommen lassen.

Darum folgt jetzt die Presseerklärung vom 08.03.2021 von ehemaligen Gefangenen aus der RAF und der Bewegung 2. Juni zum Hungerstreik des griechischen Gefangenen Dimitris Koufontinas.



Freiheit für Dimitris Koufontinas!

Das Gefängnis ist ein Ort der Diktatur. Jeder Hungerstreik, den ein Gefangener führt, ist der Kampf des Subjektes gegen eine Totalität, die ihm nichts weniger als genau diese Subjekthaftigkeit abspricht.

Seit über 50 Tagen ist Dimitris Koufontinas in einem griechischen Gefängnis im Hungerstreik. Dimitris Koufontinas gehörte der bewaffneten Gruppe 17. November an, die in der Folge der griechischen Militärdiktatur 1975 entstanden ist und 25 Jahre existierte. Der Gruppe wurden einige bewaffneten Aktionen vorgeworfen, darunter die Erschießung des CIA-Chefs für Südosteuropa. Weitere Anschläge auf US-Offizielle folgten wegen der Verbindung zwischen Nato-USA und griechischen Putschisten, die jahrelang ein Terrorregime über Griechenland installierten. Andere Anschläge richteten sich gegen griechische Politiker und Journalisten.

Man muß daran erinnern, dass die Aktionen der Gruppe 17 November unmittelbar mit der Tatsache verbunden sind, dass das griechische Militär am 21. April 1967 putschte und bis zu seinem Sturz 1974 ein Klima offener Gewalt über das Land legte. Zu den historischen Tatsachen gehört, dass die US-amerikanische Nixon-Regierung jahrelang eng mit den Diktatoren zusammenarbeitete. Das gleiche Urteil ist gegen das damalige griechische Königshaus wie auch viele der reichen Familien historisch gefällt, die wegen politischen Stimmungsänderungen in den sechziger Jahren um ihre besonderen Privilegien fürchteten und die Putschisten förderten.

Dimitirs Koufontinas hat sich 2002 freiwillig der griechischen Justiz gestellt, um neben anderen, die verhaftet und angeklagt waren, die politische Verantwortung für die Handlungen des 17. November zu übernehmen. Aussagen, die seine Mitangeklagten hätten belasten können, hat er stets verweigert. Seine gesamte Haltung wurde von vielen Linken und Intellektuellen gewürdigt. Dem Gefangenen, der zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilt worden war, wurden seit 2017 Hafterleichterungen gewährt, die ihm rechtlich allerdings bereits Jahre zuvor zugestanden hätten.
Die heutige Regierung in Griechenland macht kaum einen Hehl daraus, dass sie in den sozialen und politischen Kategorien denkt, die mit der Militärdiktatur verbunden waren. Der Präsident der jetzt regierenden Partei Neue Demokratie, Kyriakos Mitsotakis, hat bereits vor seiner Wahl erklärt, dass er die Haftrealität von Dimitris Koufontinas verschärfen werde. Um dieses Unterfangen, hinter der das persönliche Rachebedürfnis einer vom 17. November angegriffenen griechischen Herrschafts-Familien steht, umzusetzen, wurde im Dezember 2020 ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Dahinter verbirgt sich das Verlangen, dass linke politische Gefangene aussagen und öffentlich bereuen müssen. Genau dieses Verlangen erhoben die griechische Diktatoren 1967 gegenüber tausenden von als Kommunisten verdächtigten Gefangenen, die barbarischen Haftbedingungen und ständiger Folter ausgesetzt waren.

Dimitris Koufontinas ist heute 63 Jahre alt. Seit Januar 2021 ist er einer dramatischen Verschlechterung seiner Haftbedingungen ausgesetzt. Inzwischen ist er seit 59 Tagen (7. März 2021) im Hungerstreik. Dimitris Koufontinas kann jeden Augenblick sterben. Er stirbt dann aber nicht, weil er einen bewaffneten Angriff auf die neoliberale Regierung in Griechenland führt, sondern weil er das Verlangen einer regierenden Oberschicht verweigert, ihr zu Füßen zu kriechen. Selbst nach Jahrzehnten ihres Paktes mit einer blutigen Obristendiktatur scheint es diese Oberschicht noch nicht verwunden zu haben, dass auch sie zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Es gibt kein Recht auf Unterwerfung der Gesellschaft durch eine reiche Minderheit, die an nichts anderes als an die Erweiterung ihres Reichtums und ihrer Macht denkt. Zu dem niederträchtigen Verhalten gegenüber Dimitris Koufontinas gehören das ebenso niederträchtige Vorgehen gegen Flüchtlinge in Griechenland, gegen Arme und alte Menschen oder jene, die das kapitalistische System einfach nicht mehr braucht.

Wir sind ehemalige Gefangene aus der RAF und der Bewegung 2. Juni. Wir kennen die harte Haltung des Staates und seiner Apparate. Wir kennen Zwangsernährung und exzessive Gewalt der Wächter, wir kennen die »Koma-Lösung«, das zynisch so genannte »Ping-Pong-Spiel«, mit dem man versuchte, uns in einem Zustand zwischen Leben und Tod zu halten in der Hoffnung, dass wir daran zerbrechen. Wir kennen das Spiel, Reue als Bedingung für Freiheiten zu setzen. Dimitirs Koufontinas ist den gleichen Absichten und Handlungen ausgesetzt.
Der Neoliberalismus ist weltweit gescheitert und hinterlässt überall ein desaströses gesellschaftliches Feld. Und gleichzeitig versucht er verstärkt, jeden Gedanken an eine andere Welt, jeden Ansatz von Widerstand gegen sich in der Geschichte auszulöschen.

Nicht wir müssen abschwören, sondern alle, die für diese grauenhaften Verhältnisse verantwortlich sind, die das Leben eines Großteils der Menschheit bestimmen, müssen gehen.
Wir alle sind verpflichtet, auch für das Leben und die Freiheit des politischen Gefangenen Dimitris Koufontinas zu kämpfen.

Knut Folkerts, Christian Klar, Roland Mayer, Karl-Heinz Dellwo, Eva Haule, Monika Berberich (alle: RAF), Ella Rollnik (Bewegung 2. Juni)

SUIZIDE IM STRAFVOLLZUG – Die Bankrotterklärung des Systems

Ein ausführlicher Text von Octopus aus der JVA Hannover

Die Umstände von Suiziden und deren Gründen zählen zu den Tabus des Strafvollzugs und zeigen vielfach das totale Versagen des Strafvollzugsystems auf. Diese werden mit allen Mittel der Zivilgesellschaft vorenthalten, wenn es nur irgendwie möglich ist. Die Schuldfrage wird mit allen Mitteln von der Justiz abgewendet, dazu hat sie alle juristischen Mittel und ein Heer von StaatsdienerInnen, denen es daran gelegen ist, Schaden vom Amte abzuwenden. Mir ist es bis dato erspart geblieben, selber direkt einen Fall von Suizid zu sehen. Daher beruhen diese schriftlichen Darstellungen auf Recherchen und Aussagen von Mitinhaftierten oder Entlassenen.

Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch zunächst darlegen, wie das System des Strafvollzugs alles daran setzt, Inhaftierte blindwillig zu unterwerfen – und dabei auch forcierte Suizide durch systematischen Terror in Kauf zu nehmen.

Fälle, die medial in Erscheinung der Öffentlichkeit geraten sind, sind für den Strafvollzug immer eine besondere Herausforderung. Sollten Suizide auftreten und die Presse davon Wind bekommen, beginnt auch mal der Thron der Anstaltsleiters/in oder gar des Justizministeriums zu schwanken. Daher gilt höchste „Fürsorge“ des Vollzugs anzuwenden. Über 6 Monate BGH (besonders gesicherter Haftraum) mit 24 Flutlichtbeleuchtungen bei Kameraüberwachung, dazu das regelmäßige, 30-minütige Wecken zu nächtlicher Stunde. Dazu das permanente Geschrei inkl. Beleidigung und Bedrohungen, eine nachhaltige Erstlingserfahrung im demokratischen Strafvollzug. „SUIZIDE IM STRAFVOLLZUG – Die Bankrotterklärung des Systems“ weiterlesen