Begrüßung zur Kundgebung „Silvester zum Knast“

Liebe Leute,
wir beginnen jetzt mit unserer Kundgebung „Silvester zum Knast“.

Warum sind wir hier, an der JVA Rosdorf?

Wie Ihr wisst, haben wir uns in den letzten Monaten in Göttingen wieder einmal mit dem Thema Knast beschäftigt. In verschiedenen Veranstaltungen ging es um die Funktion von Knästen als Teil eines kontrollierenden, repressiven Staates. Knäste sichern die Privilegien der Eliten ab. Knäste sind die harte und verlogene Antwort der herrschenden Klasse auf die sozialen Probleme der Menschen, meist gegen jene, die in Armut, mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder als Ausgestoßene leben müssen. Wie zur Bestätigung erklärte die Knast-Leitung der JVA Rosdorf im November 2017, dass es in den letzten Jahren immer mehr Menschen gibt, die hier wegen Freiheitsstrafen von unter einem Jahr gefangen gehalten werden. Viele von ihnen wären wegen Drogendelikten oder Diebstählen verurteilt. Manche Gefangene könnten schlicht ihre Geldstrafe nicht bezahlen und sitzen stattdessen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab.

Vor allem aber haben wir bei unseren Veranstaltungen Erzählungen gehört. Erzählungen von Menschen, die für einige Monate, aber auch viele Jahre im Knast gesessen haben und das überlebt haben. Und wir haben Berichte von Menschen gehört, die mit großer Ausdauer und viel Kraft Gefangene unterstützt haben und das noch weiter machen. Alle haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Menschen in den Knästen und ihre Auseinandersetzungen für bessere Lebensbedingungen nicht zu vergessen.

Die JVA Rosdorf liegt vor unserer Haustür. Seit 2007 werden hier Gefangene eingesperrt, in Untersuchungshaft und in Strafhaft. 2013 kam die Sicherungsverwahrung hinzu. In den Einheiten der Sicherungsverwahrung werden Menschen gefangen gehalten, die ihre Strafhaft bereits verbüßt haben – aber aufgrund der Vermutung, dass sie erneut eine Straftat begehen könnten, werden sie präventiv gefangen gehalten. Insgesamt können in der JVA Rosdorf 340 Menschen eingesperrt werden.

In Knästen wie diesem werden Menschen nicht nur ihrer Freiheit beraubt. Sie werden von ihren Freund*en, Freundinnen und Familien getrennt, sie werden von ihrem Alltag getrennt, ihren Projekten, Hobbies, Orten. Und sie werden in ihrer Autonomie angegriffen, dazu drei Punkte:

Die Gefangenen müssen im Knast arbeiten, für 1 bis 2 Euro die Stunde, ohne Sozialversicherung. Erkämpfte Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern, wie z.B. das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, stehen den Gefangenen nicht zu, da sie vom Staat formal nicht als ArbeitnehmerInnen anerkannt werden. Die Profite der Zwangsarbeit streicht das Land Niedersachsen ein, aber auch Firmen ein, die im Knast produzieren lassen.

Die Gefangenen sind der Willkür der Justizvollzugsbeamtinnen ausgesetzt, die z.B. Isolationshaft verhängen können, geplante Besuchstermine absagen können, persönliche Briefe nicht weiterleiten und beschlagnahmen.

Den Gefangenen wird die Wahl genommen, z.B. wenn sie nur den einzigen Telefonanbieter im Knast nutzen können, der unverschämt viel Geld für ein paar Minuten Gespräch verlangt. Die Auswahl von Produkten, die Gefangene im Knast kaufen können, ist von der Knast-Leitung beschränkt und alles ist oft überteuert.

Die Repression ist im Knast allgegenwärtig. Vor diesem Hintergrund ist es für die Gefangenen eigentlich nahe liegend, sich den Regeln zu fügen und sich anzupassen, um weitere Sanktionen zu vermeiden.

Doch aus den Erzählungen wissen wir, dass es in den Knästen immer wieder Gefangene gibt, die sich gegenseitig solidarisieren und sich im Knastalltag gegen Willkür und Schikane wehren. Es sind Menschen, die ihre sozialen Kämpfe an dem Ort austragen, an dem sie nun mal gerade sind. Mit kleinen und mit größeren Aktionen. Wer sich im Knast für gute Lebensverhältnisse einsetzt, hofft, dass das draußen wahrgenommen wird und Auseinandersetzungen im Knast von Draußen bestenfalls unterstützt werden.

Was haben wir vor?

Wir wollen hier heute keine gewöhnliche Kundgebung machen, um politische Forderungen bekannt zu machen. Stattdessen wollen wir den Gefangenen überhaupt erst einmal kundgeben, dass es uns jetzt gibt, die Knast-Soligruppe. Wir wollen uns heute erreichbar und ansprechbar machen.

Deshalb haben wir auf unserem Transpi unsere Kontaktadresse für Briefe stehen, vielleicht kann das von einigen Gefangenen gesehen werden.

Und deshalb werden wir auch statt Redebeiträgen immer wieder unsere Kontaktadresse durchsagen, vielleicht hört das jemand.

Wir von der Knast-Soligruppe wissen noch nicht, wie unsere Unterstützung für Gefangene aussehen wird, die sich bei uns melden. Wir haben uns vorgenommen, auf Briefe in jedem Fall zu antworten, aber nichts zu versprechen, was wir vielleicht nicht halten können.

Insbesondere möchten wir Gefangene unterstützen, die sich gegen die gängelnden Verhältnisse und Schikanen im Knast wehren. Falls uns solche Berichte erreichen, werden wir überlegen, ob und wie wir ihre Anliegen in die Öffentlichkeit tragen, damit ihre Stimmen gehört werden. Als Knast-Soligruppe wollen wir nicht zwischen sogenannten politischen und sozialen Gefangenen unterscheiden.

Wir haben an die Gefangenen auch viele Fragen zu der JVA Rosdorf, vielleicht können sie uns von den Verhältnissen im Knast berichten, z.B. welche Firmen sich an ihrer Zwangsarbeit bereichern oder wie schwer es ist, gegen die tägliche Unterdrückung aufzubegehren.

Noch kurz zum Ehrenamt: Auch für die JVA Rosdorf gibt es Ehrenamtliche, die z.B. in Freizeitgruppen oder für Einzelbegleitung von Gefangenen eingesetzt werden. Allerdings sind sie über die JVA organisiert. Daher werden wir als Knast-Soligruppe keine Ehrenamtlichen sein, die dem Staat helfen, das Knastsystem menschlich erscheinen zu lassen, und die nur das tun dürfen, was die Knast-Leitung erlaubt.

In der Knast-Soligruppe werden wir uns zukünftig mit Themen beschäftigen, bei denen wir selbst noch viele Unsicherheiten und zu denen wir vielleicht noch keine klare Position haben. Aber wir denken uns, dass sich vieles in der Praxis schon klären wird.

Wir wollen den Kampf der Gefangenen für ein menschenwürdiges Leben unterstützen. Und natürlich treten wir auch jenseits davon für Freiheit und Selbstbestimmung ein!

Die Knast-Soligruppe trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat, 19 Uhr, in der OM10. Ihr könnt gerne dazukommen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir spielen Musik ab, machen unsere Durchsagen und hören später noch einen Beitrag.
Zunächst machen wir uns aber kurz bemerkbar. Zum Schluss gibt es noch Ankündigungen und ein Feuerwerk. Dann mal los.

Knast-Soligruppe Göttingen