Redebeitrag zur Kundgebung am 1. Mai 2019

Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen, liebe Gefangene,
wir sind heute hier, um unsere Solidarität gegenüber den Menschen in Gefangenschaft zu zeigen. Der 1. Mai – Kampftag der Arbeiter*innenklasse – ist nicht nur wichtig, um Erfolge und Kämpfe zu feiern, die für vergleichsweise privilegierte Arbeiter*innen gelten, sondern es muss auch an Leute gedacht werden, die keine Tarifverträge haben.
In Deutschland wurden Mindeststandards erkämpft, wie ein Mindestlohn, eine Rentenversicherung, eine Sicherung des Existenzminimums, bezahlter Urlaub sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Wir alle wissen, dass man auch vom Mindestlohn, geschweige denn von Hartz IV kein gutes Leben führen kann. In Minijobs und geringfügiger Beschäftigung ist es eher der Standard, dass es keinen bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt. Noch schlimmer ist es, wenn man gar keine Arbeitserlaubnis hat und zum Überleben jeden noch so harten, noch so schlecht bezahlten Job annehmen muss oder komplett unentgeltlich die Arbeit im Haushalt, die Pflege für Angehörige und die Erziehung der Kinder verrichten muss.

Im Knast ist die Situation noch schlimmer. Es gibt keine nennenswerten gesetzlichen Mindeststandards die unterlaufen werden könnten.

Niedersachsen gehört zu den Bundesländern, in denen allgemeine Arbeitspflicht gilt. Das bedeutet, dass Gefangene bei Verweigerung der Arbeit bestraft werden. Wenn die Gefangenen nicht arbeiten wollen, müssen sie die Kosten für ihre Haft in der Regel selbst bezahlen und häufen somit immense Schulden an. Wer sich dem Arbeitszwang widersetzt, muss auch mit anderen Bestrafungen rechnen, wie der Verweigerung von Vollzugslockerung, keine Teilnahme an Freizeitaktivitäten oder keine Möglichkeit Kaffee oder Tabak zu kaufen.
Die JVA wirbt bei Unternehmen damit, bei sich arbeiten zu lassen. Die Firmen bezahlen 80€ pro Tag für einen Arbeiter. Davon erhält dann der Gefangene zwischen 9,98€ und 12,70€. Das heißt, dass die Gefangenen einen Stundenlohn von ca.1-2 Euro haben. Davon und von dem Taschengeld in Höhe von ca. 30 Euro im Monat müssen sie alle ihre Ausgaben im Knast und außerhalb von Knast bestreiten.
Die Arbeit für Firmen, die bei der JVA Rosdorf arbeiten lassen, ist stumpf. Im Auftrag von externen Unternehmen werden nur Arbeiten verrichtet, die in Akkordarbeit erledigt werden können u.a. Kugelschreiber oder Schraubendreher montiert, Bügelbrettbezüge genäht und verpackt sowie Schrauben in Kartons gepackt. Eine weitere Arbeitsstelle ist die JVA selbst. Die Hausmeisterei und die Arbeit rund um die Küche werden auch von Gefangenen vollbracht.
Die JVA bereichert sich also maßgeblich an der Arbeitskraft der Inhaftieren. Das führt auch dazu, dass es kein großes Interesse seitens der JVA gibt, die Leute wieder frei zu lassen.

In der JVA Rosdorf gibt es einen großen Trakt für insgesamt 48 Sicherungsverwahrte. Menschen kommen in Sicherungsverwahrung, nachdem sie ihre Strafhaft abgesessen haben. Die Gefängnisleitung hat kein Interesse daran, dass sie jemals wieder freikommen. Das Konzept der Sicherungsverwahrung kommt aus der Zeit des Nationalsozialismus und ist offiziell dazu da, dass Gefangene bei ihrer Entlassung keine Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen. Es kommt beinahe nie vor, dass Sicherungsverwahrte entlassen werden, sondern stattdessen leben besonders in der Sicherungsverwahrung viele alte Menschen und Menschen mit Behinderung.

Gegen die Untragbaren Verhältnisse in den deutschen Gefängnissen gibt es von einigen Gefangenen Widerstand. Zum Beispiel finden Gefangene immer wieder Wege die Arbeit zu verweigern. Außerdem laufen mehrere Klagen, um Mindestlohn auch im Knast zu erkämpfen.
Um diesen Widerstand sichtbar zu machen und die Gefangenen dabei zu unterstützen sind wir heute hier! Für Mindestlohn und Arbeitsrechte auch im Knast!
Für eine freie Gesellschaft ohne Arbeitszwang und Knäste!