Grußworte: Knast-Besuch wegen Corona-Besuchsverbot

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Grußworte an die Gefangenen der JVA Rosdorf
Besuch der Gefangenen in Zeiten des Corona-Besuchsverbots

Liebe Menschen in der JVA Rosdorf,
wir sind von der Knast-Soligruppe Göttingen und sind für einen kurzen Besuch bei euch. Aus euren Briefen und aus der Presse haben wir erfahren, dass Willkürhandlungen und Isolation durch das Justizministerium und durch eure Knastleitung in Zeiten der Corona-Pandemie noch weiter zunehmen.

Klar versuchen gerade alle, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, so dass alle Menschen, die erkranken und eine Behandlung benötigen, diese auch bekommen können. Auch versuchen gerade alle, den Virus möglichst lange oder am besten ganz von sich selbst fern und aus den Institutionen rauszuhalten. Das ist uns allen wichtig und dazu leisten wir alle unsere Beiträge.

Doch ihr weist völlig zurecht auf Ungereimtheiten und Missstände hin.

Am krassesten ist ja wohl, euch eure Besuche gänzlich zu verbieten und vollzugsöffnende Maßnahmen grundsätzlich auszusetzen, die der Teilhabe an Gesellschaft dienen sollen. Denn ein solches Vorgehen bedeutet reine Repression. Ihr wisst genauso gut wie wir, dass Besuche eurer Familien, Freundinnen und Freunde möglich wären – wenn es die Knastleitung nur wollte. Eure Ideen dazu, wie auch jetzt Besuche stattfinden könnten und gleichzeitig eine Übertragung des Corona-Virus verhindert werden könnte, sind vollkommen einleuchtend. So einleuchtend, dass es regelrecht unverschämt ist, dass diese Ideen bisher nicht umgesetzt werden. Einer eurer Vorschläge ist, neben entsprechenden Schutzvorkehrungen wie Handschuhe, Mund-Nasen-Maske und Einsatz von Desinfektionsmitteln den Besuchsraum so auszustatten, dass für verschiedene Gruppen genug Abstand wäre, auch genug Abstand zwischen dem Besuch und euch. Auf diese Weise könnten vielleicht weniger Besuche parallel als bisher stattfinden – was aber viel mehr wäre als gar keine! Eine andere Idee von euch ist, die Besuche im Freien stattfinden zu lassen. Jemand meinte, es sei ausreichend Material und Werkzeug vorhanden, um z.B. Bänke zu bauen, die mit entsprechendem Abstand im Freien aufgebaut werden könnten. Oder ihr könntet auch anderweitig „spucksichere Besuchsplätze“ bauen, mit Einsatz von Plexiglasscheiben. Oder oder oder… Nur die Besuche ganz zu verbieten und seitens der Leitung nicht an kreativen Lösungen zu arbeiten, ist reine Schikane und Gängelung. Gemeinsam mit euch fordern wir: Besuche sofort wieder möglich machen – wie auch immer!

Für die Sicherungsverwahrung heißt es, dass den Menschen, die normalerweise auch draußen einkaufen können, dies aktuell untersagt ist – obwohl Geschäfte her draußen ja offen sind. Genau wie bei den vollzugsöffnenden Maßnahmen ist es letztlich eine Frage der eingesetzten Ressourcen. Entweder es ist genug Personal da, um Ausgänge zu begleiten. Oder aus reiner Schikane eben werden solche Ausgänge abgesagt. Was soll das denn? Wenn zum Umgang mit der Corona-Pandemie Maßnahmen erforderlich sind, die die Verbreitung ausbremsen, dann heißt das doch nicht, dass Gefangene noch mehr als ohnehin in Isolation gebracht werden. Gemeinsam mit euch fordern wir: Außenkontakte und vollzugsöffnende Maßnahmen wieder durchführen!

Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, ist offensichtlich. Denn ihr berichtet, die Betriebe im Knast der JVA Rosdorf lassen weiter produzieren. Jeden morgen gehen Menschengruppen bis zu 20 Personen durch die engen Flure zu den Arbeitsstätten, wobei auch nicht auf Abstandsregeln geachtet wird. Dann werden Einmachgläser und Phasenprüfer produziert – für was? Wo doch gerade Atemmasken benötigt werden, wie ihr zu recht schreibt. Es gibt einige Gefangene, die sich an der Produktion von gesellschaftlich benötigter Schutzkleidung beteiligen würden. Allerdings nicht im Rahmen der üblichen Zwangsarbeit zur Profitsteigerung eines Unternehmens, sondern freiwillig, weil es sinnvolle Tätigkeit wäre. Doch warum wird solche Produktion nicht organisiert und für Freiwillige angeboten? Was ist mit den Schließern, die auch ein Sozialleben haben und den Virus mit in den Knast bringen können? Die ohne Schutzmaßnahmen z.B. Zellen durchsuchen, dabei Lebensmittel auskippen. Auch bei der morgendlichen Ausgabe von Methadon, die jetzt auf den Stationen stattfindet: Im Knast trägt niemand Atemmaske und Handschuhe. Aber Angehörige dürfen nicht kommen…

Und was ist mit dem Skypen? Die Knastleitung kündigt an, es gäbe nun verstärkt diese Möglichkeit. Doch zum einen reichen die Plätze nicht und wenn Gefangene beantragen, skypen zu können, wird ihnen das trotz Beschwerde verwehrt. Ein Skandal. Einer hat uns aufmerksam gemacht, dass Telio in den letztem Jahren ja genug Gewinn an den Gefangenen gemacht hat, in dieser Situation könnte telefonieren ja nun kostenfrei sein. Gemeinsam mit euch fordern wir: Unbegrenztes und kostenfreies Skypen und Telefonieren für alle!

Einer von euch schreibt, ihr dürft nicht mehr zum Sichteinkauf, jetzt gibt es nur noch Bestellscheine. Hier draußen, das wisst ihr, haben die Supermärkte offen, es wird auf Abstand beim Einkauf geachtet und nur wenige Menschen gleichzeitig dürfen ins Geschäft. Ihr meint, dass wäre bei euch drinnen doch auch so möglich. Zumal bei euch bei der Tütenausgabe der bestellten Waren am Ende doch wieder zwei Menschen von dem Laden, zwei Gefangene und noch Bedienstete in einem Raum sind. Einige von euch vermuten, die Knastleitung nutzt die Corona-Situation, um endlich den sogenannten „Tüteneinkauf“ durchzusetzen und den Sichteinkauf zu unterbinden. Gemeinsam mit euch fordern wir: Laden auf, Sichteinkauf durch Abstandsregeln sofort wieder möglich machen!

In einigen Bundesländern gibt es Haftunterbrechungen, die Menschen können für eine Zeit zu ihren Angehörigen und FreundInnen, nach dieser Pause geht die Haft dann weiter. Gemeinsam mit euch fordern wir stattdessen: Amnestien und sofortige Entlassungen, wo dies möglich ist! Und zwar jetzt!

In Italien, Brasilien und Kolumbien haben sich Gefangene entschlossen vor allem gegen die auch dort verhängten Besuchsverbote gewehrt. Es gab Knastaufstände, bei denen Gefangene ums Leben kamen. In Köln soll eine Frau in Hungerstreik getreten sein, als ihr wegen Corona Lockerungen gestrichen wurden.

Hier draußen gibt es derzeit viele Berichte darüber, welche schweren psychischen Belastungen durch Isolation entstehen können, wenn Menschen sich z.B. selbst in Corona-Quarantäne begeben. Viel Aufwand wird hier draußen betrieben, um die Folgen der Kontakteinschränkungen zu vermeiden. Menschen werden in den Medien interviewt, wie belastend es sich anfühlt, wenn sie nun seit zwei Wochen viel mehr als sonst in ihrer Wohnung sind. Experten berichten, der Mensch sei sozial und brauche die Gemeinschaft. Gleichzeitig ist das Aufkommen von emotionalen Beschwerden durch Isolation auch im Strafvollzug und der Sicherungsverwahrung bekannt. So wird z.B. in Gerichtsverfahren ganz offen darüber verhandelt, welche mit einem Knastaufenthalt durch die Isolation ja nun bekanntermaßen einhergehenden psychischen Belastungen und Erkrankungen gerade noch vertretbar seien. Das passt doch alles nicht zusammen. Auch an solchen Beispielen und in Zeiten von Corona ist es unübersehbar: Gefängnisse sind nicht Teil der Lösung der gesellschaftlicher Probleme, sondern sie sind Teil des Problems.

Daher abschließend und unmissverständlich: Für die Freilassung aller Gefangenen! Für eine solidarische Gesellschaft ohne Knäste!