Wieder einmal Doppelbestrafung zu Unrecht

Bericht von der R. aus der JVA Rosdorf

Ein Sicherungsverwahrter sollte zur Urinkontrolle (UK), die regelmäßig durchgeführt wird. An dem Tag „konnte er nicht“ und ging darauf vom medizinischen Stützpunkt, der in einem anderen Haus untergebracht ist, wieder zurück in die SV-Abteilung. Dies wurde als Verweigerung eingestuft – was nicht geschehen wäre, wenn er sich dort in einen Warteraum hätte einschließen lassen, bis er dann gekonnt hätte.

Diese zu Unrecht so eingestufte Verweigerung führte dazu, dass nun Bestrafung Nr. 1 darin besteht, dass er drei Ausführungen mit Laufkette machen muss, und Nr. 2, dass er seinen Fernseher am Wochenende abgeben muss.

Die Justiz bzw. die Obrigkeit der SV-Abteilung setzt sich somit auch noch über das Verbot einer Doppelbestrafung hinweg. Dies stellt in eklatanter Weise und zum x-ten Mal einen Amtsmissbrauch dar. Das Gesetz wird also mit Füßen getreten. Man muss sich wirklich fragen, wozu und für wen es im Rechtsstaat da ist.

Finanzielle Bereicherung der Firma Massak an Gefangenen

Text von Sicherungsverwahrten aus der JVA Rosdorf

Wir haben mit Unterstützung der Knast-Soligruppe die in der JVA Rosdorf von Massak angesetzten Preise mit denen bei einem Discounter (Aldi) verglichen. Von ca. 1.500 Artikeln hatten wir 92 ausgewählt. Allein bei dieser Auswahl verdient Massak bei 22 Artikeln über den erlaubten plus 20% (entspricht insgesamt ca. 20 €). Nun ließe sich eine Hochrechnung anstellen… In der SV könnten wir Fleisch auch draußen kaufen, wenn es mit den Ausführungen/Ausgängen zuverlässig klappen würde. Aber was ist mit den Strafgefangenen? Sie sind gezwungen diese Wucherpreise zu bezahlen. Wieso unterstützt die staatliche Institution JVA so etwas?

Hier einige Beispiele. Die erste Zahl ist der Aldi-Preis in Göttingen vom 14.04.22 plus 20%, die zweite Zahl der Massak-Preis von April: Naturjoghurt 4*150g (0,95 / 1,89), Schweineschnitzel (4,79 / 7,25), Cornflakes (1,43 / 3,19), Honig Spender (3,59 / 3,89), Brauner Zucker (1,79 / 2,69), Paniermehl (1,06 / 1,19), Ferr. Kinderriegel (2,62 / 2,79), Lux Seife (0,39 / 0,59), Colorwaschmittel (3,78 / 4,69), Orangensaft 1,5l (1,32 / 1,50).

Was denkt die Politik? Thomas Meyer-Falk (SV JVA Freiburg) hatte die Landesparlamente angeschrieben, um einen Pandemiezuschuss auch für Gefangene zu bewirken. Verwiesen hat er insbesondere auf Mehraufwendungen, die auf hohe Preissteigerungen des Lebensmittelhändlers Massak zurückzuführen sind. Der Petition wurde nicht stattgegeben, allerdings gab es einen Einblick in die sehr ungleiche Praxis der Länder. Daneben wurde von einigen Ländern auch ungefragt das Geschäftsgebahren der Firma Massak Logistik GmbH gerechtfertigt, die einen Großteil der deutschen Gefängnisse beliefert. Gefangene würden – wie in auch in der JVA Rosdorf – nicht Lebensmittel, sondern eine Dienstleistung kaufen. Für ein einzelnes Produkt würden Kosten entstehen für Verwaltung, Transport, Personal, Verpackung, Verteilung.
Die gesetzlich festgelegte Maximalpreishöhe (höchstens 20% über den ortsüblichen Preisen) für Lebensmittelverkauf in Gefängnissen scheint in manchen Landesparlamenten nicht bekannt. Auch unbekannt scheint, dass jeder Discounter die gleichen Verwaltungs-, Transport, Personalkosten usw. erbringen muss – und es sich beim Verkauf von Lebensmitteln immer um eine Dienstleistung handelt!

Letzten Freitag sind bei uns von Massak wieder Artikel nicht mitgeliefert worden oder es sind falsche angekommen, die nicht bestellt wurden. Wir sollen an die Gesellschaft herangeführt werden. Aber wer von uns wird nach der Haft/Verwahrung am Dienstag einen Bestellschein für den Wocheneinkauf ausfüllen, um am Freitag dann ein Päckchen mit den Lebensmitteln entgegenzunehmen? Man hat hier durch Wegrationalisierung des Sichteinkaufs einen Rückschritt eingeleitet, der unübersehbar nur Nachteile mit sich gebracht hat.

Wir fordern die sofortige Wiedereinsetzung des Sichteinkaufs!

Brief der Interessenvertretung der Sicherungsverwahrten in der JVA Rosdorf an das Nds. Justizministerium vom 16.04.2022 (redaktionell bearbeitet)

Wir haben seit Februar 2022 keinen Sichteinkauf mehr und haben uns mit einer Petition, unterschrieben von 99% der Sicherungsverwahrten, an die Anstaltsleitung gewendet. Die Firma Massak kann von der Anstaltsleitung verpflichtet werden, für uns Sicherungsverwahrte wieder einen Sichteinkauf zu machen! Es wurde verpasst Sie davon in Kenntnis zu setzen, was wir hiermit tun. Eine solche Anweisung würde nicht den Vertrag berühren, da dieser nicht zwischen Anstaltsleitung und Firma Massak geschlossen worden ist.

Das Sicherungsverwahrungsgesetz gesteht uns die Angleichung an das Leben in Freiheit zu, damit auch eine Selbstversorgung. Mit einem Tüteneinkauf wie bei Massak ist es nicht machbar, die Selbstversorgung im Rahmen einer gesunden und ausgeglichenen Ernährung zu gestalten. Denn bei einer spontanen Nichtlieferung von Lebensmitteln seitens der Firma Massak werden auch keine Ersatzprodukte geliefert. Ein Ausweichen auf andere Lebensmittelprodukte ist dann nicht möglich. Auch ist es uns nicht möglich, für die Beschaffung von Ersatzprodukten unsere Regelausführungen oder gar den Wohngruppeneinkauf zu nutzen. Denn aufgrund von Corona kommt es ständig zu Absagen der verschiedensten Lockerungsmaßnahmen. Wir haben somit keine Ausweichmöglichkeit, um dem vorhandenen Problem adäquat entgegentreten zu können.
Deswegen fordern wir die sofortige Umsetzung des Sichteinkaufs!
Bitte informieren Sie uns schriftlich über ihr Vorgehen.

Reflexion zur Praxis Transformativer Arbeit außerhalb des Knastes

Text von R. aus der JVA Rosdorf

Die Knast-Soligruppe hat mir das Buch „Vom Scheitern, Zweifeln und Ändern“ gegeben, in dem es um die kritische Reflexion von Männlichkeiten geht. Ich habe es gelesen und nun besprechen wir einzelne Kapitel daraus. Ich habe das Buch auch meiner Therapeutin gezeigt. Sie bat mich, meine Sicht zu dem Kapitel „Keine Sondertörtchen für Männlichkeiten“ aufzuschreiben.

In erster Linie finde ich persönlich die Transformative Arbeit des Kollektivs, im Gegensatz zu Autor*in, dass diese sehr professionell durchgeführt wird. Ich kann dies ja sehr gut vergleichen, da ich selbst eine 11-jährige Sozialtherapie durchlaufen habe. Die Autor*in stellt ihre kollektive Leistung, Arbeit unter den Scheffel, was ich schade finde. Leider habe ich nicht so die akademische oder intellektuelle Ausbildung, da mir durch meine frühere staatsfeindliche Haltung in der ehemaligen „DDR“ viele Bildungswege verschlossen blieben. Von daher hoffe ich, mich halbwegs verständlich ausdrücken zu können.

Es ist eine Grundvoraussetzung, dass der Betroffene, um den es geht, dazu auch bereit sein muss, „seine Hosen“ herunter zu lassen. Mit allem was dazu gehört, wozu auch sein Umfeld gehört. Und es ist nicht immer angenehm, bedarf viel Arbeit. Diese besteht darin, in regelmäßigen Abständen Gespräche zu führen zu einzelnen Thematiken und aber auch in schriftlicher Form, was enorm wichtig ist, wie auch in diesem Kapitel beschrieben. Das geht auch nicht von heute auf morgen. Dazu gehört viel Mut, sich selbst seinem Fehlverhalten zu stellen. Und jedem, der sich dazu entschließt, zolle ich persönlich meinen Respekt. Die Parallelen zum sogenannten „Königsweg“ (Sozialtherapie) kann ich sehr deutlich erkennen. Der Unterschied hier ist aber eine kleine Gruppe, die sich mit dem Betroffenen zusammensetzt, um Gespräche zu führen. Während in der Sotha zu meiner Zeit die Deliktaufarbeitung mit 10 Mitklienten + einem/er Therapeuten/in + Wohngruppenleiter/in stattfand. Was mich aber hier in diesem Kapitel ein wenig verwundert bei dem Thema Hauptziel (es sind zwei aufgelistet: Die gewaltausübende Person wird nie wieder übergriffig und betroffene Personen können sich im Umgang mit ihm wieder sicher(er) fühlen). Der erste Punkt ist ja auch in der Sozialtherapie das Ziel non plus ultra, aber bei dem zweiten habe ich Bauchschmerzen. Sobald man mit dem Opfer Kontakt aufnimmt, durchlebt es dieses Trauma ein zweites Mal, was ich nicht in Ordnung finde. Das beruht aber auf der Tatsache, dass die sexualisierten Übergriffe in ihrer Tragweite nicht geschildert sind. Ich will nicht daran rütteln, da die Autor*in darauf hingewiesen hat. Jede sexualisierte Gewalt, egal in welcher „seichten“ Form, ob psychisch oder physisch, ist verwerflich – und leider ist es schwierig, dann Stellung zu beziehen als Leser. Andererseits gehören immer beide Seiten zu einer Aussprache – und in diesem Fall scheint es zu funktionieren, da es im engen Bekanntenkreis stattfand, was aber auch von Größe der betroffenen Frauen zeigt.

Ich persönlich finde, dass es solche Gruppen, Initiativen braucht, denn anhand des Beispiels ist ersichtlich, dass durch die besondere Aufmerksamkeit im engsten Umfeld diese übergriffige sexualisierte Gewalt aufgedeckt wurde. Das Hauptaugenmerk ist den Betroffenen aufzuzeigen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist und diesem Einhalt zu gebieten. Warum es allerdings keine Anzeige gab, das lässt sich auf dem Kapitel nicht herleiten und steht jetzt auch nicht so zur Debatte. Anders ausgedrückt, können die gewaltausübenden Personen sich bei den betroffenen Frauen bedanken, dass die Frauen sie, trotz der sexualisierten Übergriffe auf sie und aus welchen Gründen auch immer, nicht angezeigt hatten. Es hätte auch anders verlaufen können und da möchte ich nicht spekuieren. Es ist natürlich wünschenswert, dass in vielen Bereichen des Lebens mehr Aufmerksamkeit sein sollte, untereinander Fürsorge berieben wird gegenüber denjenigen, wo offensichtlich das Ruder verrissen ist. Dies ist jetzt ein Beispiel in diesem Kapitel und sicherlich gibt es noch einige andere, die ähnlich funktionieren. Was mich immer wieder so beeindruckt ist die Selbstinitiative ohne staatliche Hilfe und den Optimismus. Selbst wenn man nur eine sexualisierte Gewalt ausübende Person erreicht, ist das ein positiver Erfolg.

In diesem Beispiel im Kapitel hat es letztendlich nicht zum Erfolg geführt und diese Rückschläge sind weit verbreitet aus meiner Sicht. Damit meine ich diejenigen, die offenkundig ihre negative Grundhaltung zum Leben kundgetan haben und es schon im Vorwege abzusehen war. Trotzdem hat man sie gehen lassen. Ich habe viele kommen und gehen sehen in der Therapie. Einige haben es gut geschafft, worüber ich mich persönlich sehr für diese Leute freue. Manche haben sich wie die Axt im Walde benommen, teilweise bis zu zwei Jahren, erst dann hat man eingegriffen und Schranken gesetzt. Man wollte demjenigen Zeit geben, und die anderen in der Gruppe waren dazu angehalten, diese Allüren aushalten zu müssen. Das fand ich persönlich sehr grenzwertig, da es oft zu sehr brenzligen Situationen kam, die nicht zum Glück nicht eskaliert sind.

Genau wie im Kapitel beschrieben, sehe ich es genauso, dass die Ursache der Problematik schon im frühen Kindesalter der Erziehung liegt. Ich selbst wurde mit brachialer Gewalt sehr früh geprägt mit dem Ziel, die Schmerzen zu unterdrücken und wenn ich anfing zu weinen gab es weitere Schläge bis ich aufhörte. Das hatte fatale Folgen für mein weiteres Leben. Oft genug habe ich meine Wut, meinen Frust schon im Kindergartenalter an anderen Kindern ausgelassen, die gar nichts dafür konnten. Ich kann nur für mich sprechen und all das, was mein leiblicher Vater mir vorgelebt hatte, obwohl ich ihn für all diese Dinge, die er meiner Mutter und uns Kindern angetan hatte, sehr gehasst hatte. Mit dem Gedanken, wenn ich groß bin, dann werde ich es ihm heimzahlen. Die Rache ist nicht an ihm erfolgt, sondern an Opfern, die nichts mit meinem Leben zu tun hatten. Es hat sehr viele Jahre gedauert, mich mit Hilfe von Fachbüchern zum Thema Gewalt im allgemeinen und sexualisierter Gewalt sowie zahlreichen Gesprächen als auch Briefen mit meiner Ex-Partnerin zu einem Umdenken anzuregen. Dies wollte ich dann aber auch von mir aus, weil ich all diese Gewalt in der Männerwelt, ob psychisch oder physisch und wo zumeist ein Wettbewerb stattfindet, nicht mehr ertragen möchte.

Auch heute noch bemerke ich in meinem Zwangsumfeld (Haft), wie manche Äußerungen mich abstoßen. Manchmal steuere ich dagegen, aber es ist nicht meine Aufgabe, diese Leute zu erziehen. Es ist nicht möglich, diese Dinge zu erzwingen, das muss von der gewaltausübenden Person von sich aus kommen. Unter diesen Umständen hier macht es oft sehr einsam. Daher bin auch ganz froh über die Knast-Soligruppe in Göttingen, einen Ansprechpartner gefunden zu haben, mit dem ich mich dahingehend austauschen kann.

Am Ende des Kapitels wird noch eine weitere Überlegung angeregt, mit einer Probezeit von 25 Sitzungen und einer Auswertung, ob die gewaltausübende Person in die Gruppe passt bzw. aktiv mitwirkt, was ich sehr sinnvoll finde. Das gilt ja eigentlich für viele Bereiche des Lebens und die Arbeit kann ja nur fruchten, wenn die gewaltausübende Person sich mit einbringt, um an seiner Problematik zu arbeiten. Ich kann mich schwer mit dem Begriff Szene anfreunden, hat für mich so einen negativen Charakter, was aber eher an meiner Person liegt. Nun bleibt die Frage für mich, wie kann ich mich nützlich einbringen? Mein Lernprozess ist sicherlich noch nicht abgeschlossen und anhand des Buches habe ich einiges nochmal neu überdenken müssen, trotz der durchlaufenen Sozialtherapie. Das ganze Leben besteht ja aus einem Lernprozess.

Soweit mein Eindruck zu der transformativen Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln. Sicherlich kann vieles davon noch vertieft werden, wenn denn alle Aspekte bekannt wären. Dass diese Arbeit wichtig ist, darüber sind sich wohl alle einig. Wie, in welcher Form und mit welchem Augenmaß, das bedarf sicherlich weiter vieler Gespräche.

Recht auf Freistellungstage endet erneut in bandenmäßiger Unterschlagung

Bericht von R. aus der JVA Rosdorf

Sicherungsverwahrten Menschen wie mir stehen bei Arbeit in den Betrieben Urlaubstage zu. Nur dass die Arbeit nicht wie Arbeit draußen gewertet wird: Sicherungsverwahrte genauso wie Gefangene erhalten bloß eine „1-€“-Vergütung und keinen Mindestlohn, sie können keine Sozialversicherungsansprüche sammeln. Und bei voller Beschäftigung gibt es für Sicherungsverwahrte nur 10 Freistellungstage pro Halbjahr.

JVA Hannover, 2018

2018 war ich noch in der JVA Hannover. Auf meinem Lohnschein vom Mai 2018 hatte ich noch 9 Freistellungstage, die ich nehmen konnte. Im Juni 2018 hatte man dann plötzlich aufgeführt, dass ich kein Kontingent mehr hatte: 0. Wie konnte das sein, wenn ich in der Zwischenzeit gar keine Freistellungstage genommen hatte? Daraufhin habe ich der Arbeitsverwaltung der JVA den Gesetzestext mitgeteilt: Auf die halbjährlich erworbenen Tage besteht ein Jahr Anspruch. Wie sich herausstellte, war das BasisWeb fehlerhaft programmiert, mit dem die Berechnungen automatisch erfolgten! Für den Lohnschein Juli 2018 wurden meine Freistellungstage dann immerhin wieder eingetragen – allerdings 5(!) zu wenig, was mir erst zu spät aufgefallen ist.

JVA Rosdorf, 2021

Im Juli 2021 bin ich auf eigenen Wunsch in die SV-Abteilung der JVA Rosdorf verlegt worden. Zu diesem Zeitpunkt war alles unter Quarantäne gestellt, nach meiner Ankunft wurde ich trotz Impfung unter Verschluss genommen. Während der gesamten Quarantäne-Zeit durfte keiner aus der SV-Abteilung in den Unternehmerbetrieben arbeiten. Somit hatten nur die zwei Hausarbeiter und ein Fensterputzer Gelegenheit zu arbeiten, dazu gab es noch maximal zwei extra für die Pandemie eingerichtete Unternehmerbetrieb-Arbeitsplätze. Später hatte ich mich offenbar im Bett verlegen, mir war es weder möglich, meinen linken Arm vorwärts noch seitwärts au Schulterhöhe zu heben. Eine Verletzung wurde im MRT attestiert, ich bin immer noch im Genesungsprozess, erhalte Physiotherapie.

Um nicht allzu viel Zeit nach meiner Ankunft in Rosdorf zu verlieren, stellte ich einen Antrag auf meine noch in Hannover erworbenen Freistellungstage. Der Antrag wurde jedoch formal abgelehnt: Da ich zu diesem Zeitpunkt keinem Betrieb angehörte, könnte ich auch nicht freigestellt werden. Bei den Behandlungsteam-Gesprächen legten mir die Behandler daraufhin nahe, mich nicht freistellen zu lassen, sondern mich auf eine Arbeit zu bewerben. Doch wie, mit dem Schulterproblem?

Jedenfalls habe ich dann einen Antrag auf Auszahlung meiner noch offenen Freistellungstage gestellt: Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Daraufhin habe ich mich in meinem Bekanntenkreis umgehört, wo ich noch Hilfe bekommen kann, da mein Anwalt sich mit diesen arbeitsrechtlichen Sachen nicht auskennt. So habe ich mich dann an das Landesamt für Versorgung und Bezüge in Aurich gewandt. Die haben mein Anliegen gleich ungefragt an das Landesgericht weitergeleitet. Ob es noch andere Optionen gegeben hätte, dass kann ich nicht beurteilen. So gab es gleich ein Aktenzeichen. Die Richterin Frau Dr. Kohlmeier hat meinen Antrag in ihrem Beschluss kurzerhand zurückgewiesen. Den Wunsch, mich mit ihr telefonisch zu besprechen, lehnte sie ab.

Das wollte ich nun so nicht hinnehmen. Freistellungstage in der SV sind Urlaubstagen draußen gleichzusetzen. Die Freistellungstage hatte ich übrigens bekommen, weil ich eine Leistung erbracht, erarbeitet hatte. Wir reden hier von über 400 €, die die Justiz versuchte einzubehalten. Daraufhin habe ich Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts beim Oberlandesgericht eingelegt. Diese wurde ebenfalls aus formalen Gründen, ansonsten unbegründet abgelehnt: Meine Beschwerde sei nicht von einem Anwalt unterschrieben.

Für mich ist das eine staatliche, bandenmäßige, juristische Unterschlagung. Mehr kann ich dazu nicht sagen, außer dass ich allen Bescheidern mal solch eine Erfahrung wünsche, nicht an Geld zu kommen, für das man gearbeitet hat.

Innerlich habe ich mich schon von meinem Geld verabschiedet. Allerdings fördert solches Vorgehen nicht gerade meine Bereitschaft, hier in irgendeiner Form formal zu arbeiten. Lieber arbeite ich in der Kreativ-Werkstatt für das Projekt Wald&Wiese, da kann ich der Gesellschaft etwas Gutes tun bzw. kann zumindest irgendetwas zurückgeben. Es mag für Außenstehende vielleicht aussehen, dass ich mir mit dieser Haltung selbst schädige. Das ist jedoch nicht der Fall, zumindest empfinde ich es nicht so.

Die im Text erwähnten Lohnscheine und Atteste hat die Knast-Soligruppe eingesehen.

Massak hat übernommen – Sichteinkauf nicht mehr möglich und viele Nachteile

Wechsel des Anstaltskaufmanns in der JVA Rosdorf und die damit verbundenen gravierenden Änderungen für die Insassen!

Bericht von einem Sicherungsverwahrten

Corona hat auch hier maßgebliche Einschnitte im Anstaltsablauf, der Organisation, der Gefangenenbeschäftigung und den Vollzugsöffnenden Maßnahmen nach draußen verursacht. So wurde schon im Jahr 2020 der Sichteinkauf für die Gefangenen und die Sicherungsverwahrten eingestellt und auf einen Tüteneinkauf umgestellt!

Durch eine Petition, die die Sicherungsverwahrten erarbeiteten und dann zusammen mit den Strafgefangenen und Untersuchungsgefangenen unterschrieben einreichten bei dem Nds. Justizministerium und dem Anstaltsleiter der JVA Rosdorf konnte die bleibende Abschaffung des Sichteinkaufs zunächst noch einmal verhindert werden!

Doch nun sind seitdem zwei Jahre vergangen… Und ein altes Problem ist wiedergekehrt in einer noch nie dagewesenen Form: Denn nun ist die Firma Rewe, die seit Anbeginn der JVA hier den Einkauf für die Gefangenen angeboten hat und womit alle sehr zufrieden waren, gegen die Firma Massak ausgetauscht worden! Niemand wurde darüber informiert, selbst nicht die Firma Rewe, so sagte es diese uns auf Nachfrage. So schlecht wie jetzt war es sogar vor zwei Jahren nicht:

Nicht nur, dass die Insassen jetzt nicht mehr wie vorgesehen selbst in dem kleinen Einkaufsladen ihre Lebensmittel und alle anderen lebensnotwendigen Produkte ansehen können und so beim Nichtvorhandensein von Artikeln auf ein anderes Produkt ausweichen können. Denn Massak liefert für jeden eine fertig gepackte Kiste.

Mit dem Wechsel ist auch eine Reduzierung der zuvor angebotenen Artikel verbunden. Bei den nun von Massak angebotenen Artikeln gibt es Preissteigerungen von teils 50-100%. Das ist eine deutliche Erschwernis und offensichtlich allein für den Bereich Sicherungsverwahrung nicht mehr an den Lebensumständen in Freiheit orientiert – wie es der Gesetzgeber aber vorgibt. Der Fairness halber muss man sagen, dass es jetzt auch einige Artikel gibt, die deutlich billiger sind. Doch dieser Effekt hebt sich auf, da die teureren Artikel auch die sind, die notwendiger für die Selbstverpflegung von uns Sicherungsverwahrten sind!

Auch bei den Sonderbestellungen für uns Sicherungsverwahrte gibt es mit dem Wechsel zu Massak Probleme. Bisher war es möglich, mit Genehmigung der Vollzugsabteilung sämtliche Artikel, die die Firma Rewe selbst nicht im Bestand hat, von anderen Anbietern aus dem WorldWideWeb bestellen zu lassen. Dies ist über die Firma Massak nun nicht mehr möglich! Es gibt, so wie wir es jetzt sehen, nur einige Ausweichmöglichkeiten, die aber nicht alle Bereiche abdecken werden und können. Wir Sicherungsverwahrte können einmal im Monat draußen einkaufen gehen, in alle möglichen Lebens- und anderen Einkaufsläden. Jedoch gibt es in denjenigen Läden, die wir erreichen können, einige Artikel nicht zu kaufen. Die gibt es – wie alle wissen – nur in Onlineshops. Doch genau hier ist die Grenze, wo das Mögliche beschränkt wurde und nun aufhört.

Die Frage ist nun, wie es weitergehen kann, um den Bedarf von uns Sicherungsverwahrten abzudecken. Von Seiten der Abteilungsleitung kommt nur der Vorschlag, auf Einkaufe draußen auszuweichen. Doch macht man dies, wird im Nachgang dazu im Vollzugsplan geschrieben, dass man seine Vollzugsöffnenden Maßnahmen nur zum Konsumeinkauf nutze!


Ergänzend verweisen wir auf einen Hintergrundartikel vom 22.10.21,  nd
Der Preis der Tütensuppe

Für eine Gesellschaft ohne Knäste – Silvester zum Knast 2021

Wir waren nachmittags am 31.12.21 mit über 50 Menschen zur jährlichen Soli-Kundgebung am Knast in Rosdorf. Von einer großen Wiese aus konnten wir die Rufe von Gefangenen zumindest aus den oberen Geschossen hören, wir selbst hatten für Musikwünsche und Redebeiträge eine Anlage dabei. Auf einem der Transparente stand unsere Postadresse mit dem Angebot, uns über den Knastalltag zu schreiben. Berichte von Gefangenen stellen wir gibt es weiterhin unter der Rubrik „Nach draußen!“. Zum Abschluss, kurz bevor es zu regnen anfing, konnten wir uns noch mit einem kleinen Feuerwerk verabschieden. Wir dokumentieren hier ein Grußwort von dem Gefangenen Thomas aus einem Knast in Süddeutschland und unseren eigenen Redebeitrag.

Alle Fotos sind von Links Unten Göttingen

Liebe Leute drinnen im Knast und hier draußen,

wir von der Knast-Soligruppe möchten uns den Hoffnungen und Wünschen von Thomas anschließen. Ja, die Idee einer Gesellschaft ohne Knäste ist gedacht – schon lange. Das ist auch unsere Forderung. Doch um welche Taten kann es gehen, wenn wir drinnen und draußen für eben diese Gesellschaft ohne Knäste kämpfen? Zum Glück gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. So kommen wir nicht umhin, dass wir uns austauschen müssen, um Ansätze ringen, uns solidarisch kritisieren, Widersprüche aushalten. Tatsächlich zielt die Frage nach der Überwindung des Knast-Systems grundsätzlich auf die Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung, Konkurrenz, Gewalt, Ausschluss oder anderen Prinzipien unserer herrschaftsförmigen Gesellschaft. Knäste sind die Krönung unseres strafenden, patriarchalen, rassistischen, kapitalistischen Staates. Die Straflogik wird uns von Kindheit an im Kleinen und Großen als alternativlos dargestellt. In der Familie, der Schule, der Ausbildung, dem Militär, den Religionsinstitutionen oder der Lohnarbeit gilt es zu gehorchen – sonst gibt es eine Strafe. Mit den Gesetzen des Staates wird bei Strafe abgesichert, dass ungleiche Verhältnisse bestehen bleiben. So sollen nicht alle Menschen nach ihren Bedürfnissen Zugriff auf unsere gesellschaftlichen Ressourcen haben. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Lebensmittel und andere nützliche Dinge nehmen, sich überall hin frei bewegen, in eine Wohnung ziehen und sie behalten – alles ist bei Strafe verregelt. Erst recht den Staat aus einer emanzipatorischen Perspektive direkt anzugreifen.

Doch Gesetze sollen auch die persönliche Unversehrtheit schützen. Der Staat übt zwar reichlich Gewalt gegen seine Bürger*innen aus, untereinander ist sie aber verboten. Gewalt im sozialen Miteinander wird bestraft, zumindest im Prinzip. Denn in sozialen Kämpfen musste und muss weiter erstritten werden, dass der Schutz vor zwischenmenschlicher Gewalt tatsächlich für Alle gelten soll. Auch z.B. für Frauen und Kinder, für Lesben und Schwule, für Geflüchtete, für Transpersonen, für Schwarze… – für weniger privilegierte, diskriminierte Menschen. Beim Umgang mit zwischenmenschlicher Gewalt greift die Straflogik des Staates jedoch so oder so zu kurz. Denn durch Strafe und Knast wird ja direkt und mittelbar weitere Gewalt ausgeübt. Dabei verfehlen die staatlichen Ansätze oft, gewaltbetroffene Personen effektiv zu schützen und im sozialen Miteinander nachhaltig zu stärken. Ebenso verfehlen sie systematisch, gewaltausübenden Personen ernsthafte Angebote zur kritischen Auseinandersetzung mit ihren Gewalthandlungen zu machen oder Möglichkeiten zum Kennenlernen sozialer Alternativen und zu Veränderung zu bieten. Das Vorgehen im Rahmen der sogenannte Resozialisierung ist oft nur ein Feigenblatt in der Hand Justiz und  Knastleitung.

Was können wir also tun, wenn wir für eine Gesellschaft ohne Knäste streiten? Ihr drinnen und wir hier draußen können auf die Missstände des Knast-Systems und Repression im Knast-Alltag aufmerksam machen. Da geht es um Öffentlichkeitsarbeit. Die Webseite unserer Knast-Soligruppe ist eine von diesen Möglichkeiten. Hier werden Erfahrungsberichte von euch Gefangenen festgehalten und können von allen gelesen werden. Es kann auch um Widerstand drinnen und draußen gehen. Kollektives Vorgehen gegen Gängelung und Schikane. Aktionen gegen das Justizsystem oder Firmen, die am Knastbetrieb oder Arbeitszwang von euch Gefangenen verdienen. Aktionen gegen jede Ausbeutung, Unterdrückung, gegen jeden Ausschluss und Krieg.

Nicht zuletzt geht es jedoch auch darum, soziale Alternativen zu Strafe und Knast zu entwickeln und zu erproben. Um günstige Bedingungen zu schaffen, kann die Befriedigung von Bedürfnissen und die Verteilung von Ressourcen jenseits von Profit- und Tauschlogik solidarisch organisiert werden. Grundsätzlich kommt es jedoch darauf an, dass ihr drinnen im Knast und wir hier draußen Wege finden, Vereinzelung zu überwinden und verbindliche, handlungsfähige Gemeinschaften aufzubauen und zu schützen. Nur wenn wir die Mitmenschen in unserem Umfeld, ihre Bedürfnisse, Grenzen und vielleicht auch ihre Verletzungen kennen, können wir uns unterstützen, kritisieren und miteinander lernen. Nur wenn wir in der Nachbarschaft oder bei der Arbeit eine solidarische Community sind, können wir Gewalthandlungen und Fehler einzelner Menschen als ein Problem der Gemeinschaft und Gesellschaft begreifen und annehmen. Zwischenmenschliche Gewalt ist immer gesellschaftlich vermittelt. Sie geschieht vor dem Hintergrund eigener biografischer Gewalterfahrungen und sozialer Isolation, sie geschieht in patriarchalen, rassistischen Verhältnissen. Um hier als Gemeinschaft Verantwortung übernehmen zu können, braucht es neue, verlässliche Umgangsformen und Strukturen jenseits des Staates. Zum Glück gibt es schon immer und überall auf der Welt Menschen, die eben dies tun. Die als soziale Gemeinschaft Verantwortung übernehmen, die sich dem Problem von Gewalthandlungen gemeinsam stellen. Die gewaltbetroffene Personen konsequent unterstützen, die gewaltausübenden Personen eine Veränderungsperspektive anbieten, die je nach Anlass die gesellschaftlichen Grundlagen für Gewalt aufspüren und diese angehen. Von diesen Ansätzen können wir lernen.

Wann und wo es mit dem Aufbau und der Verstetigung von solchen Alternativen losgehen kann und wer sich daran beteiligen kann? Diese Antwort ist nun einfach: Jetzt, hier und mit uns allen kann es losgehen, denn worauf sollen wir warten? Dieser Weg ist wohl sehr aufwändig und bestimmt anstrengend, denn er braucht Kontinuität und Geduld. Doch es gibt nicht weniger zu erreichen, als dass wir uns unser soziales, solidarisches Miteinander wieder aneignen und verteidigen, um schließlich die herrschaftsförmige Gesellschaft samt ihrer Ausschlüsse und Knäste zu überwinden. Ob das, wie Thomas in seinen Grußworten vermutet, 50 Jahre, 100 Jahre oder länger dauert, oder mit Entschlossenheit, Anstrengung und glücklichen Entscheidungen auch schneller gelingt, liegt an uns.

Strafe und Knast überflüssig machen!
Freiheit und Glück für uns alle!

Ella – Soli-Filmvorführung an der ehem. JVA

An über 100 Orten wurde am 01.10.21 der Dokufilm „Ella“ gezeigt. Die anonyme Aktivistin wurde im Rahmen der Räumung des Dannenröder Forstes im Herbst 2020 festgenommen und ist bis heute widerrechtlich eingeknastet. Ein Jahr später arbeitet der Film die skandalös-kriminelle Verfolgung und Verurteilung von Ella juristisch detailliert auf und schließt mit der Forderung alle Knäste abzuschaffen.

Den Film online schauen? Solidarisch sein? Aktionen machen? HIER

In Göttingen haben wir den Film an die seit Jahren leerstehende ehem. JVA in der Innenstadt – direkt gegenüber der OM10 – projiziert. Über 70 Menschen haben den Film geschaut. Zuvor hatten Aktivist*innen die Obere-Masch-Straße beidseitig für Autoverkehr gesperrt, um dem Publikum auch gute Sitzplätze auf der Straße anbieten zu können.

Freiheit für Ella! Für eine Gesellschaft ohne Strafe und Knäste!

Ankommen in der SV Rosdorf

Nach seinem Ankommen in der JVA Rosdorf berichtet R. von seinen ersten Erfahrungen und Eindrücken.

Ich bin im Juli 2021 nach Kündigung einer 11-jährigen Sozialtherapie in Hannover in die SV-Abteilung Rosdorf verlegt worden. Trotz vollständiger Impfung bin ich unter Quarantäne genommen worden ein paar Tage. Als nächstes bekam ich einige Dinge nicht ausgehändigt, die ich zuvor in Hannover haben durfte (Tacker, Schneebesen – was klar eine Schlechterstellung gegenüber der Haft darstellt. Ich habe mir hier eine Single Kaffeemaschine mit Zeitschaltuhr bestellt und herschicken lassen, die wegen dieser Zeitschaltuhr aber nicht zugelassen ist. Es ist Paradox, da das TV-Gerät, die Musik-Anlage, die DVBT-Box, die Funkwecker, alle haben diese Zeitschaltuhr-Funktion. Es ist einfach nicht nachvollziehbar.

Dann habe ich versucht, meine Freistellungstage (Arbeitszwang nach §41 StVollzG, KSG), die ich in Hannover „erarbeitet“ habe, zu nehmen oder mir auszahlen zu lassen – was hier abgelehnt wurde, da ich hier keinem Betrieb angehöre. Das heißt, ich muss diesen mir zustehenden Anspruch einklagen. Was das Arbeitsangebot anbelangt, ist es sehr bescheiden und hier hat man einfach nicht nachgedacht. Es gibt hier in Rosdorf nur Unternehmerbetriebe, wo die Leute zumeist Pensumarbeiten erledigen. Handwerklich gibt es so gut wie nichts.

Wenn es um vollzugliche Sachen wie Lockerungen geht, ist die Handhabung sehr kurios, sie beziehen sich hier gerne auf die Stellungnahme der Voranstalt. Dies trifft oder besser gesagt gilt nicht für die Arbeit von der Voranstalt. Da habe ich durchweg positive Beurteilungen und selbst arbeiten ausgeführt, die wir Inhaftierten vom Gesetz her nicht machen durften. Das war schon immer so, wenn es dem Zweck der Anstalt dient, dann geht es in Ordnung. Aus Kosteneinsparungsgründen kann ich es nachvollziehen, aber nicht diese doppelte Moral.

Meine Beobachtungen sind, dass hier jeder für sich kämpft und manche auch Anschuldigungen erfinden, um sich so Vergünstigungen zu verschaffen. Das gab es schon immer das Denunziantentum, was für viel Unmut zeugt. Es ist einfach traurig und viele scheuen sich, für sich zu kämpfen. Sie haben aufgegeben und möchten sich nicht mehr dem ganzen Stress aussetzen. Es ist auch schwierig sich selbst zu motivieren, wenn z.B. kein Entlassungsdatum vorhanden ist.

Feinvergitterung in der Haftanstalt… Heute Hannover, morgen Sehnde, Rosdorf, überall!?

Eine Statusmeldung aus dem Strafvollzug Niedersachsen, September 2021

Nachdem sich bereits in den Haftanstalten der südlichen Bundesländer die Feinvergitterung der Hafträume wie eine Seuche ausgebreitet hat, setzt sich nun auch in Niedersachsens Haftanstalten diese menschenverachtende Konstruktion durch. Der Prototyp des Terrors hatte bereits 2020 in Hannovers JVA Einzug gehalten. Anfänglich gelang es durch die Klage eines Inhaftierten vor der Strafvollstreckungskammer Hannover, den Weiterbau auf Grund eines einbestellten Gutachtens eines Sachverständigen auszusetzen. Wie nun in Erfahrung gebracht worden ist, wurde die Klage offensichtlich negativ beschieden. Denn im August wurde die Feinvergitterung der restlichen Hafträume in Hannover durch die bauausführende Firma Schmedeke beendet.

Inhaftierte müssen Feinvergitterung für sich und andere selbst bauen

Anfänglich mutmaßten noch einige Inhaftierte, dass sich derartige Umrüstungen auf Feinvergitterung nur auf JVA-Sanierungsfälle belaufen sollten. Das ist nun klar widerlegt. Bereits 2020 hatte die JVA Celle eine komplette Fertigungsstraße von der Fensterbaufirma Schüko nebst Software erworben. Die Investitionskosten sollen sich auf über 250.000 € belaufen haben. Aufgrund des vom Gericht beauftragten Gutachtens ruhte die Fertigungsstraße und hat nun die Produktion für ganz Niedersachsen aufgenommen. Als Lieferant für die Edelstahlplatten, welche quadratisch perforiert sind, sich bei Hitze stark aufheizen und den Luftaustausch massiv behindern, wenn nicht gar komplett durch das Wärmeabstrahlverhalten der Platten komplett verhindern, gilt die JVA Sehnde! Wurde das Modellprojekt Niedersachsens noch anfänglich an eine Fremdfirma vergeben, hat man sich in Folge dazu entschlossen, die Produktion durch die günstige Zwangsarbeit durch Inhaftierte in den Haftanstalten ausführen zu lassen! Im Bau befinden sich nicht nur komplette Fensteranlagen plus Vergitterung, es werden auch solche „Nachrüstsätze“ für Haftanstalten produziert, die eine Vor-Gitter-Montage ermöglichen werden. De Facto wird es eine Frage der Zeit sein, bis alle Haftanstalten Niedersachsens umgerüstet sind.

Zahlreiche blinde Flecken bei der Begutachtung

Es ist nicht bekannt, dass der Gutachter relevante Langzeitmessungen in den Hafträumen durchgeführt hat. Beachtenswert wären auch die Hitzepeaks in Hochsommerzeiten der vergangenen Jahre. Ein weiterer Grund für den negativen Entscheid des Gerichtes in Kooperation mit dem Sachverständigen ist sicherlich auch der mangelhaften Umsichtigkeit des damaligen Klageführers geschuldet. Leider zeigte er sich nur wenig kooperativ, auch andere Meinungen und Argumente zuzulassen und beharrte auf seiner einseitigen Betrachtungsweise. Argumente wie Corona und damit die neuerlichen Anforderungen an die Luftwechselraten gemäß des Infektionsschutzgesetzes und auch des Bundesumweltamtes wurden gänzlich unbeachtet gelassen. Auch die Situation der Nichtraucher wurde ausgeblendet. Denn zuständige Fachabteilungen des Justizministeriums hatten in anderer Sache noch kurz davor argumentiert, dass gesundheitliche Belastungen durch unverzügliche Nachbelegung in Starkraucherzellen problemlos durch großflächige Fenster neutralisiert werden könnten. Die Behauptung, dass man trotz Feinvergitterung der Fürsorgepflicht gegenüber den Inhaftierten entsprechen würde, ist so endgültig entkräftet.

Feinvergitterung bedeutet höchste psychische Belastung

Völlig unbeachtet ist von Seiten der Gutachter augenscheinlich, dass erforderliche Baupsychologen nicht gehört worden sind. Diesen wäre sicher nicht entfallen, dass die Insassen vielfach durch ihren langjährigen Drogenkonsum psychisch sehr auffällig sind, auch die Substitution führt bekanntlich zu Psychosen/Halluzinationen, und unter vielem anderen mehr leiden. Die Zahl der Suizide und Suizidversuche sind in den letzten Jahren wider verstärkt angestiegen. Das ergab auch die kürzliche Anfrage der die Linke an die Bundesregierung. Natürlich stellen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger der Haftanstalten und Justizministerien auch zum Selbstschutz ahnungslos. Offensichtlich zieht man es nicht in Betracht, dass solche menschenverachtenden Konstruktionen einer Verplattung der Hafträume mit dafür verantwortlich gemacht werden, um derartige Handlungen auszulösen. Durch das Erstellen derartiger Gefälligkeitsgutachten kann sich die Justiz natürlich bequem zurücklehnen und jegliche Verantwortung abweisen.

Feinvergitterung für Nichtraucher besonders dramatisch

Für die geringe von Nicht-/Nierauchern in Haft werden durch die neuartigen Feinvergitterungen weitere schwere Zeiten anbrechen. Die Justiz hat es ja bekanntlich bestens verstanden, sich in puncto Nichtraucherschutz ein Schlupfloch offen zu halten. Die Nachbelegung von Nichtrauchern in zuvor von Kettenrauchern über Jahre hin frequentierten Zellen ist als Körperverletzung anzusehen. Die Ausdünstungen der Toxine sind noch über Monate zu ertragen. Diese entweichen aus dem gesamten Mobiliar und der zumeist maroden Bausubstanz. Die Verantwortungslosigkeit des Justizsystems ist offensichtlich, reagierte diese zuvor noch mit fragwürdigen Aussagen, die durch das Justizministerium abgesegnet waren. Das vermeintliche Problem der Nikotinbelastung könne bequem durch Lüften behoben werden, da ausreichend große Fenstern in den hafthäusern vorhanden wären. Nun wird billigend in Kauf genommen, dass chronische Erkrankungen wie Asthma/COPD, kardiologische Erkrankungen etc. als Kollateralschaden der Haft hingenommen werden müssen!

Feinvergitterung schwächt Sehkraft

Die Edelstahlplatten erweisen sich bei starker Sonneneinstrahlung als wahres Blendwerk, unerträglich ein Blick durch diese bei Sonnenlicht. Ohnehin wird den Inhaftierten nur eine Freistunde gewährt, indem sie die Möglichkeit haben, ihre Augen auch mal mehr als 5 Meter im Fernbereich zu nutzen. Blicke durch die Gitter sind auf Dauer nahezu unmöglich, das Auge zoomt automatisch den naheliegendsten Punkt an. Weite Blicke, wenn sie überhaupt möglich waren, werden nachhaltig verhindert. Jedes Huhn in der Legebatterie hätte Unterstützung von Tierschutzorganisationen, die gegen die Missstände protestieren würden. Den rechtlosen Inhaftierten wird derlei Mitleid nicht gewährt! Diese müssen auch für die Folgen der Verschlechterung der Sehtüchtigkeit selber aufkommen, auch wenn sie nur Taschengeldempfänger sind. In anderen Bundesländern werden die Kosten übernommen, in Niedersachsen sind Zuzahlungsanteile unabwendbar.

Argumente der Justiz nur vorgeschoben

Aushänge im Strafvollzug wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar“erweisen sich endgültig als klare Makulatur! Der Fürsorgepflicht gegenüber den Inhaftierten ist damit keinesfalls Rechnung getragen. Die Verschlechterung der Haftbedingungen, die auch die Gesundheit betrifft, wird billigend in Kauf genommen. Das Argument der Justiz, diese Verplattungen sollen dazu dienen, Einflüge von Drohnen zum Transport von Drogen oder gar Waffen zu verhindern, erweist sich schon daher als haltlos, da die Haftanstalten bekanntlich allesamt mit Drohnenabwehrtechnik ausgestattet sind. Die weiteren Argumente der Verhinderung der vermeintlichen Vermüllung der Freiflächen und des Pendelns könnte man zweifelsfrei durch Kameratechnik und motivierte Mitarbeiter entkräften. An beidem mangelt es dem Strafvollzug nachhaltig. Daher ist alles eher der „Entlastung“ des Knastpersonals geschuldet, das sich mehr mit geselligem Zeitvertreib beschäftigt, als seine Aufgaben sorgfältig auszuführen.

Es zeigt sich, dass Inhaftierte im Einzelnen nur wenig Chancen haben, gegen die Allmacht der Justiz Veränderungen zu bewegen und durchzusetzen. Leider fehlt es oft an Solidarität gegen das System Knast und seine Missstände. Inhaftierte werden bekanntlich zu gefügigen Marionetten konditioniert, so dass sie sich dann leicht als Statisten im Knastsystem instrumentalisieren lassen.

Es bleibt abzuwarten, bis der erste Tote gegrillt in der Zelle liegt. Niemand wird sich dann zuständig fühlen! Die Konstruktion der Fensterfeinvergitterung ist einfach nur menschenverachtend!