Text von R. aus der JVA Rosdorf
Die Knast-Soligruppe hat mir das Buch „Vom Scheitern, Zweifeln und Ändern“ gegeben, in dem es um die kritische Reflexion von Männlichkeiten geht. Ich habe es gelesen und nun besprechen wir einzelne Kapitel daraus. Ich habe das Buch auch meiner Therapeutin gezeigt. Sie bat mich, meine Sicht zu dem Kapitel „Keine Sondertörtchen für Männlichkeiten“ aufzuschreiben.
In erster Linie finde ich persönlich die Transformative Arbeit des Kollektivs, im Gegensatz zu Autor*in, dass diese sehr professionell durchgeführt wird. Ich kann dies ja sehr gut vergleichen, da ich selbst eine 11-jährige Sozialtherapie durchlaufen habe. Die Autor*in stellt ihre kollektive Leistung, Arbeit unter den Scheffel, was ich schade finde. Leider habe ich nicht so die akademische oder intellektuelle Ausbildung, da mir durch meine frühere staatsfeindliche Haltung in der ehemaligen „DDR“ viele Bildungswege verschlossen blieben. Von daher hoffe ich, mich halbwegs verständlich ausdrücken zu können.
Es ist eine Grundvoraussetzung, dass der Betroffene, um den es geht, dazu auch bereit sein muss, „seine Hosen“ herunter zu lassen. Mit allem was dazu gehört, wozu auch sein Umfeld gehört. Und es ist nicht immer angenehm, bedarf viel Arbeit. Diese besteht darin, in regelmäßigen Abständen Gespräche zu führen zu einzelnen Thematiken und aber auch in schriftlicher Form, was enorm wichtig ist, wie auch in diesem Kapitel beschrieben. Das geht auch nicht von heute auf morgen. Dazu gehört viel Mut, sich selbst seinem Fehlverhalten zu stellen. Und jedem, der sich dazu entschließt, zolle ich persönlich meinen Respekt. Die Parallelen zum sogenannten „Königsweg“ (Sozialtherapie) kann ich sehr deutlich erkennen. Der Unterschied hier ist aber eine kleine Gruppe, die sich mit dem Betroffenen zusammensetzt, um Gespräche zu führen. Während in der Sotha zu meiner Zeit die Deliktaufarbeitung mit 10 Mitklienten + einem/er Therapeuten/in + Wohngruppenleiter/in stattfand. Was mich aber hier in diesem Kapitel ein wenig verwundert bei dem Thema Hauptziel (es sind zwei aufgelistet: Die gewaltausübende Person wird nie wieder übergriffig und betroffene Personen können sich im Umgang mit ihm wieder sicher(er) fühlen). Der erste Punkt ist ja auch in der Sozialtherapie das Ziel non plus ultra, aber bei dem zweiten habe ich Bauchschmerzen. Sobald man mit dem Opfer Kontakt aufnimmt, durchlebt es dieses Trauma ein zweites Mal, was ich nicht in Ordnung finde. Das beruht aber auf der Tatsache, dass die sexualisierten Übergriffe in ihrer Tragweite nicht geschildert sind. Ich will nicht daran rütteln, da die Autor*in darauf hingewiesen hat. Jede sexualisierte Gewalt, egal in welcher „seichten“ Form, ob psychisch oder physisch, ist verwerflich – und leider ist es schwierig, dann Stellung zu beziehen als Leser. Andererseits gehören immer beide Seiten zu einer Aussprache – und in diesem Fall scheint es zu funktionieren, da es im engen Bekanntenkreis stattfand, was aber auch von Größe der betroffenen Frauen zeigt.
Ich persönlich finde, dass es solche Gruppen, Initiativen braucht, denn anhand des Beispiels ist ersichtlich, dass durch die besondere Aufmerksamkeit im engsten Umfeld diese übergriffige sexualisierte Gewalt aufgedeckt wurde. Das Hauptaugenmerk ist den Betroffenen aufzuzeigen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist und diesem Einhalt zu gebieten. Warum es allerdings keine Anzeige gab, das lässt sich auf dem Kapitel nicht herleiten und steht jetzt auch nicht so zur Debatte. Anders ausgedrückt, können die gewaltausübenden Personen sich bei den betroffenen Frauen bedanken, dass die Frauen sie, trotz der sexualisierten Übergriffe auf sie und aus welchen Gründen auch immer, nicht angezeigt hatten. Es hätte auch anders verlaufen können und da möchte ich nicht spekuieren. Es ist natürlich wünschenswert, dass in vielen Bereichen des Lebens mehr Aufmerksamkeit sein sollte, untereinander Fürsorge berieben wird gegenüber denjenigen, wo offensichtlich das Ruder verrissen ist. Dies ist jetzt ein Beispiel in diesem Kapitel und sicherlich gibt es noch einige andere, die ähnlich funktionieren. Was mich immer wieder so beeindruckt ist die Selbstinitiative ohne staatliche Hilfe und den Optimismus. Selbst wenn man nur eine sexualisierte Gewalt ausübende Person erreicht, ist das ein positiver Erfolg.
In diesem Beispiel im Kapitel hat es letztendlich nicht zum Erfolg geführt und diese Rückschläge sind weit verbreitet aus meiner Sicht. Damit meine ich diejenigen, die offenkundig ihre negative Grundhaltung zum Leben kundgetan haben und es schon im Vorwege abzusehen war. Trotzdem hat man sie gehen lassen. Ich habe viele kommen und gehen sehen in der Therapie. Einige haben es gut geschafft, worüber ich mich persönlich sehr für diese Leute freue. Manche haben sich wie die Axt im Walde benommen, teilweise bis zu zwei Jahren, erst dann hat man eingegriffen und Schranken gesetzt. Man wollte demjenigen Zeit geben, und die anderen in der Gruppe waren dazu angehalten, diese Allüren aushalten zu müssen. Das fand ich persönlich sehr grenzwertig, da es oft zu sehr brenzligen Situationen kam, die nicht zum Glück nicht eskaliert sind.
Genau wie im Kapitel beschrieben, sehe ich es genauso, dass die Ursache der Problematik schon im frühen Kindesalter der Erziehung liegt. Ich selbst wurde mit brachialer Gewalt sehr früh geprägt mit dem Ziel, die Schmerzen zu unterdrücken und wenn ich anfing zu weinen gab es weitere Schläge bis ich aufhörte. Das hatte fatale Folgen für mein weiteres Leben. Oft genug habe ich meine Wut, meinen Frust schon im Kindergartenalter an anderen Kindern ausgelassen, die gar nichts dafür konnten. Ich kann nur für mich sprechen und all das, was mein leiblicher Vater mir vorgelebt hatte, obwohl ich ihn für all diese Dinge, die er meiner Mutter und uns Kindern angetan hatte, sehr gehasst hatte. Mit dem Gedanken, wenn ich groß bin, dann werde ich es ihm heimzahlen. Die Rache ist nicht an ihm erfolgt, sondern an Opfern, die nichts mit meinem Leben zu tun hatten. Es hat sehr viele Jahre gedauert, mich mit Hilfe von Fachbüchern zum Thema Gewalt im allgemeinen und sexualisierter Gewalt sowie zahlreichen Gesprächen als auch Briefen mit meiner Ex-Partnerin zu einem Umdenken anzuregen. Dies wollte ich dann aber auch von mir aus, weil ich all diese Gewalt in der Männerwelt, ob psychisch oder physisch und wo zumeist ein Wettbewerb stattfindet, nicht mehr ertragen möchte.
Auch heute noch bemerke ich in meinem Zwangsumfeld (Haft), wie manche Äußerungen mich abstoßen. Manchmal steuere ich dagegen, aber es ist nicht meine Aufgabe, diese Leute zu erziehen. Es ist nicht möglich, diese Dinge zu erzwingen, das muss von der gewaltausübenden Person von sich aus kommen. Unter diesen Umständen hier macht es oft sehr einsam. Daher bin auch ganz froh über die Knast-Soligruppe in Göttingen, einen Ansprechpartner gefunden zu haben, mit dem ich mich dahingehend austauschen kann.
Am Ende des Kapitels wird noch eine weitere Überlegung angeregt, mit einer Probezeit von 25 Sitzungen und einer Auswertung, ob die gewaltausübende Person in die Gruppe passt bzw. aktiv mitwirkt, was ich sehr sinnvoll finde. Das gilt ja eigentlich für viele Bereiche des Lebens und die Arbeit kann ja nur fruchten, wenn die gewaltausübende Person sich mit einbringt, um an seiner Problematik zu arbeiten. Ich kann mich schwer mit dem Begriff Szene anfreunden, hat für mich so einen negativen Charakter, was aber eher an meiner Person liegt. Nun bleibt die Frage für mich, wie kann ich mich nützlich einbringen? Mein Lernprozess ist sicherlich noch nicht abgeschlossen und anhand des Buches habe ich einiges nochmal neu überdenken müssen, trotz der durchlaufenen Sozialtherapie. Das ganze Leben besteht ja aus einem Lernprozess.
Soweit mein Eindruck zu der transformativen Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln. Sicherlich kann vieles davon noch vertieft werden, wenn denn alle Aspekte bekannt wären. Dass diese Arbeit wichtig ist, darüber sind sich wohl alle einig. Wie, in welcher Form und mit welchem Augenmaß, das bedarf sicherlich weiter vieler Gespräche.